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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allen, die sie betraten, die genau gegenteiligen Gefühle wach - nämlich Unwohlsein und Beklemmung, und nur allzuoft Furcht.
    Aber all dies kannte er. Heute war es anders. Schlimmer. Irgend etwas war hinzugekommen. Vielleicht etwas, das er aus seinem Traum mitgebracht hatte.
    Mark wurde plötzlich klar, daß er jetzt schon fast eine geschlagene Minute dasaß und die Treppe vor dem gewalti gen Eichenholzportal anstarrte. Hastig öffnete er die Tür und schwang die Beine aus dem Wagen, wandte sich aber dann noch einmal an den Fahrer. »Es wird nicht sehr lange dauern - vielleicht eine halbe Stunde. Wenn Sie wollen, können Sie warten. Ich muß dann zurück in die Stadt.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Sie können die Uhr laufen las sen.«
    »Kein Problem.«
    Mark stieg endgültig aus und begann, langsamer als nötig, die Treppe hinaufzugehen. Sein Blick tastete über die durchbrochene Fassade und blieb schließlich an den beiden lebensgroßen Engelsfiguren über der Tür hängen.
    Vielleicht war es das. Er hatte diese Statuen nie besonders gemocht. Ihre barocke Wucht und ihre strengen Gesichter schienen viel mehr dazu angetan, Besucher abzuschrecken, als Vertrauen zu verbreiten. Und heute kam noch etwas dazu: Die beiden Figuren erinnerten ihn an den Engel aus seinem Traum.
    Ein Mann in weißem Kittel verließ eilig die Klinik. Mark wollte die sich vor ihm schließende Tür noch erreichen.
    Er war nicht schnell genug. Das Portal schlug zehn Zentimeter vor seinem Gesicht mit einem schweren Laut zu. Er streckte die Hand nach dem Bronzegriff aus, drückte ihn nieder und mußte sich wie immer ziemlich anstrengen, um die Tür zu öffnen. Ein weiteres Rätsel, das er niemals lösen würde: Wenn dies ein Krankenhaus war, warum war das Portal dann eigentlich so schwer, daß selbst ein gesunder Mensch seine liebe Mühe hatte, es aufzubekommen?
    Mark betrat die Eingangshalle und wandte sich nach rechts, während die Tür hinter ihm langsam zufiel. Ein vornehmes Schweigen empfing ihn, un d wie jedesmal, wenn er hierher kam, wunderte er sich für einen kurzen Moment, daß so gar nichts an dieser Halle darauf hinwies, was sich in diesem Gebäude wirklich verbarg. Es hätte die Eingangshalle eines Museums sein können oder eines teuren Hotels, nur eines nicht, eine - wie hatte der Taxifahrer es genannt? - Klapsmühle. Andererseits konnte man das von einem Etablissement dieser Preisklasse auch erwarten. Sein Vater ließ sich seine Freiheit eine Menge kosten.
    Mark steuerte das einzige an, was die Illusion vielleicht ein bißchen störte, nämlich den in schlichtem Teakholz gehaltenen Empfangsschalter, hinter dem zwei Computermonitore und eine Schwester in einer blütenweißen Tracht Wache hielten. Da er seit einigen Jahren regelmäßig hierherkam, kannte er einen Großteil des Personals. Diese Schwester gehörte jedoch nicht dazu. Mark schätzte, daß sie ein oder zwei Jahre jünger war als er. Wahrscheinlich arbeitete sie noch nicht lange hier.
    »Guten Morgen«, begrüßte sie ihn. »Was kann ich für Sie tun?« Ihr Blick glitt rasch und taxierend über sein Gesicht und seine Kleidung, aber sie beherrschte sich perfekt. Mark konnte auf ihrem Gesicht nicht ablesen, zu welchem Schluß sie kam.
    »Mein Name ist Sillmann«, antwortete Mark. »Mark Sillmann. Ich möchte meine Mutter besuchen.«
    Ein Ausdruck von leiser Verblüffung zeigte sich auf dem durchaus hübschen Gesicht unter dem weißen Häubchen. »Ihre Mutter?«
    »Erika Sillmann«, bestätigte Mark. »Sie ist Patientin hier.«
    Die Finger der Schwester huschten geschickt über die Computertastatur, und der Ausdruck auf ihrem Gesicht begann zwischen Verwirrung und Ratlosigkeit zu schwanken. »Hatten Sie einen Termin, Herr Sillmann?«
    »Nein«, antwortete Mark. Er wußte, was nun unweigerlich folgen würde, aber er war müde und nicht unbedingt allerbester Laune, und er hatte verdammt noch mal keine Lust, sich mit einer Lernschwester herumzustreiten, ganz egal wie freundlich oder hübsch sie auch sein mochte, und so fuhr er in hörbar schärferem Ton fort: »Und ehe Sie es sagen: Ich weiß auch, wie spät es ist und daß die offizielle Besuchszeit erst in ein paar Stunden anfängt. Aber ich komme gerade vom Bahnhof. Ich bin die ganze Nacht gefahren, und ich habe meine Mutter seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Und ich muß sie wirklich dringend sprechen. Verstehen Sie?«
    Das war eindeutig die falsche Taktik. Schwester Beate – wie das dezente

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