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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mehr. Es spielt auch keine Rolle. Auf dem Höhepunkt der Drogenbewegung jedenfalls. LSD war gerade groß in Mode, Haschisch etwas für Weichlinge, und Chemiestudenten bastelten an jeder Ecke an neuen Halluzinogenen.«
    »Designerdrogen gibt es heute auch an jeder Ecke«, sagte Mark.
    »Sicher. Aber für uns war es etwas Besonderes. Etwas Neues. Etwas Aufregendes, verstehst du? Natürlich erkannten wir auch die Gefahren, die davon ausgingen, aber wir spürten auch die Faszination. Weißt du, Mark, für euch heute sind Drogen etwas ganz Normales, aber damals war es... eine neue Welt. Der erste Schritt in eine völlig neue Dimension. Ein neues, aufregendes Land, das es zu entdecken und zu erforschen galt. Und vergiß nicht, daß wir auch beruflich damit zu tun hatten.«
    »Wir?«
    »Löbach und ich«, antwortete sein Vater. »Er war schon damals mein Chefchemiker. Und ein guter Freund. Wir haben ein bißchen herumexperimentiert - dann und wann LSD eingeworfen oder ein bißchen mit neuem Zeug rumexperimentiert.« Er lächelte, als er Marks ungläubige Blicke bemerkte. »Ich war auch einmal jung, weißt du. Aber weiter. Wie gesagt, wir haben es dann und wann getan, und wir haben ziemlich rasch auch wieder damit aufgehört. Ich jedenfalls.«
    »Löbach nicht?«
    »Damals dachte ich es«, antwortete sein Vater. »Die Wahrheit habe ich erst sehr viel später erfahren. Aber wir hatten nicht nur privat mit Drogen zu tun. Immerhin - ich besitze eine pharmazeutische Fabrik, und Drogen waren schon damals mein täglich Brot, sozusagen.«
    »Und außerdem ist da eine Menge Geld drin«, sagte Mark böse.
    »Eine gewaltige Menge Geld sogar«, bestätigte sein Vater ungerührt. »Und? Was spricht dagegen? Ich habe niemals versucht, auf illegale Weise damit Geld zu verdienen. Ganz im Gegenteil - Löbach und ich haben jahrelang an einem Projekt gearbeitet, das das Drogenproblem vielleicht mit einem Schlag erledigt hätte. Du kennst die Versuche, die heutzutage mit Methadon durchgeführt werden.«
    »Eine Ersatzdroge, ja.«
    »Ein alter Hut«, sagte sein Vater heftig. »Löbach und ich hatten die Idee schon vor beinahe dreißig Jahren. Nur hieß sie nicht Methadon, sondern AZRAEL. Amphetamin Z7 Reciprocal Ascarin Ethylmescalin Lophophinderivat. «
    Das Wortungeheuer ging ihm so flüssig von den Lippen, als hätte er es unzählige Male ausgesprochen, aber in Mark löste es ein Schaudern aus. Jetzt, wo er endlich wußte, was dieses Wort bedeutete, hätte es seinen Schrecken eigentlich verlieren müssen. Aber das genaue Gegenteil war der Fall. »Hattet ihr Erfolg?« fragte er.
    »Nein. Wir sind gescheitert - jedenfalls zuerst. Es war ein neuer, aber wie sich herausstellte auch riskanter Gedanke. AZRAEL war keine einzelne psychogene Substanz, sondern eine Mischung aus verschiedenen Drogen, die in ihrer Gesamtheit die Wirkung jeder einzelnen Droge übertroffen hätte - aber ohne süchtig zu machen. Das war die Idee. Wir haben e ine Menge Geld und sehr viel Zeit in dieses Projekt gesteckt, und ein paarmal glaubten wir wirklich, kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Aber wir hatten nie wirklich Erfolg. Löbach und ich haben mehr als zehn Jahre daran gearbeitet, aber am Schluß haben wir aufgegeben.«
    »Löbach offensichtlich nicht«, sagte Mark leise. Die Kerker tür in seinem Inneren begann sich zu öffnen. Er erinnerte sich noch immer nicht wirklich, aber er spürte ein positives Echo auf die Worte seines Vaters.
    »Nein, Löbach nicht«, bestätigte sein Vater. »Er hat weitergemacht - ohne mein Wissen und auf eigene Kosten. Er hat mir niemals verraten, was er wirklich getan hat, auch später nicht, als alles herauskam. Um ehrlich zu sein - ich habe ihn nicht gefragt. Ich glaube, ich wollte es nicht wissen. Ich war viel zu schockiert damals. Aber er hat ganz offensichtlich weitergemacht und tatsächlich eine vollkommen neue Droge entwickelt. Aber sie hatte nichts mehr mit dem zu tun, was uns vorschwebte, als wir mit unserer Arbeit begannen.« Er lachte bitter. »Ist das nicht komisch? Ihr würdet so etwas heutzutage wahrscheinlich eine Designerdroge nennen - wir hatten es schon vor zwanzig Jahren. Wie gesagt, ich weiß keine Details, aber es muß ungefähr so gewesen sein: Er entwickelte AZRAEL tatsächlich, und er ging einen Schritt weiter, als ich es jemals getan hätte. Er experimentierte damit - zuerst an sich selbst, dann an anderen. Vornehmlich Kindern.«
    »Kindern?!«
    »Jugendlichen, wenn dir das Wort lieber ist«, sagte sein Vater.

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