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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Rücken eines Schwertwals aus dem nassen Sand ragte, blieb er stehen. Er bückte sich und ergriff etwas. Dann richtete er sich wieder auf und betrachtete, was er in der Hand hielt.
    Neugierig folgte sie ihm, und er wandte sich ihr zu. Auf seiner Handfläche lag ein perfekter weißer Sanddollar. »Daran habe ich schon lange nicht mehr gedacht. Die hat der Alte Mann für uns gemacht. Sanddollars.«
    Sophie blinzelte. Jetzt versagte ihre Stimme vollends. Wechselte er das Thema, weil er es nicht mehr ertrug, an ihren Verlust zu denken? An die Rolle, die er ihrer Meinung nach dabei gespielt hatte?
    »Für meine Brüder und mich hat er sie gemacht«, fuhr er lächelnd fort. Das Mondlicht ließ seine Augen silbern schimmern. »Manche Leute halten sie für das Geld der Meeresbewohner. In Wirklichkeit sind es Seeigelskelette. Mehr nicht.« Er strich mit dem Daumen über den Sanddollar. »Aber der Alte Mann war schon immer stolz auf unsere Flügel.« Leise und melancholisch lachte er. »Deshalb hat er sie heimlich reproduziert. Sieh mal.«
    Fasziniert beobachtete Sophie, wie eine Linie den Sanddollar teilte. Azrael brach ihn auseinander. Als er eine Hälfte senkrecht über seine Handfläche hielt, fielen fünf winzige Objekte heraus.
    Sophie beugte sich vor und schaute genauer hin. »Engel«, wisperte sie. Endlich gehorchte ihr ihre Stimme wieder. Tatsächlich, die winzigen weißen Gestalten sahen wie Engeisfiguren aus.
    »In jedem Sanddollar stecken fünf.« Er lachte wieder. Diesmal klang es nicht mehr so traurig. »Vier repräsentieren Michael, Uriel, Gabriel und mich. Wen der fünfte darstellt, wollte der Alte Mann nicht verraten.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. Behutsam nahm er die Miniaturengel zwischen seine Finger und ließ die Sanddollarhälften fallen. Mit seiner freien Hand umfasste er Sophies rechtes Handgelenk, und die Berührung erwärmte ihren Arm, ihre Brust.
    Dann drehte er ihre Hand um. Auf der Handfläche zeigte sich immer noch Gregoris schwarzer Löwenzahn, aber ziemlich verblasst, als hätte die Zeit die Farbe weggewaschen. Dazu gab Azrael keinen Kommentar ab. Er legte einen der kleinen weißen Engel auf den dunklen Stern.
    »Aber ich habe es herausgefunden«, sagte er und lenkte Sophies Blick auf seine hypnotisierenden Augen. »Der fünfte Engel repräsentiert, was wir vier suchen, was wie wir erschaffen wurde, was uns im Geist umgibt. Bis wir es finden, sind wir unvollständig.« Um die nächsten Worte zu betonen, unterbrach er sich. »Für mich bist das du, Sophie.«
    Verwundert starrte sie den Engel in ihrer Hand an. So winzig und doch so bedeutsam. Dann schaute sie zu Azrael auf. Ihre Brust schmerzte. Es war ein physischer, realer Schmerz, der sie erfüllte, nur für einen kurzen Moment, ein Herzschlag in der Ewigkeit, und sofort verschwand.
    Nun küsste er sie.
    Nein, das stimmte nicht. Sie küsste ihn.
    Was sie dazu trieb, wusste sie nicht genau. Aber sie sah ihn dastehen, voller Reue und Wünsche, so intensiv wie ihre eigenen. Und sie erkannte, dass er nicht nur äußerlich der schönste Mann auf der Welt war, sondern auch innerlich.
    Plötzlich verstand sie noch etwas. Nicht nur sie war im Schicksal gefangen – er ebenso. Zwei Engel in einem Sanddollar, zwei Jahrtausende lang getrennt, im Meer umhergespült.
    Endlich waren sie vereint. Und jetzt wusste sie es: von Anfang an hatte sie diesen Mann geliebt. Seit sie seine gefühlvolle Stimme im Radio gehört, seit sie ihn auf der Bühne bewundert und ihm die Maske vom Gesicht hatte reißen wollen, um zu sehen, wen sie liebte.
    Obwohl er der Todesengel gewesen war, liebte sie ihn, obwohl ihn irgendein göttliches Los mit ihr verband, obwohl er ein Vampir war. Trotz allem. Oder vielleicht deshalb.
    Ich liebe dich. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang ihre Finger in sein langes, dichtes schwarzes Haar und zog seinen Kopf zu sich herab. Als ihre Lippen sich fanden, legte er einen seiner starken Arme um seinen Sternenengel.
    Ohne zu zaudern, ergab sie sich zum zweiten Mal in dieser Nacht seiner dunklen Macht. Denn sie hatte keine Wahl. Sein Kuss beseitigte die letzten Reste ihrer Unsicherheit, die schwand wie Nebel in der Sonne. Es war eine verzweifelte Umarmung. Ein verzweifelter Kuss. An ihrer Wange spürte sie sein Haar, und als seine Zunge ihren Mund öffnete, geriet sie in ein neues Delirium. Ringsum tanzte die Nacht, und Sophie spürte, wie Az ihren Atem einsog, ihr Herz, ihre Seele. Sie hörte ein Stöhnen, ihr eigenes,

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