Azrael
Vampirdaseins kombiniert hatte, verstand Az nicht. Irgendwie glich das dem Schicksal Beethovens, der so wundervolle Musik komponiert und nicht gehört hatte. Was nützte einem ein schönes Gesicht, wenn man ein Monster war?
Aber Sophie schien die angedeuteten Fänge nicht abstoßend zu finden. Als er in ihr Gehirn eindrang – darauf konnte er unmöglich verzichten –, las er ihre Gedanken. Mein Gott, er sieht wie ein Vampir aus.
Das dachte sie schon zum zweiten Mal. Beim ersten Mal wäre er beinahe erstickt, wäre er dazu fähig gewesen. Nun übten ihre Gedanken eine fast ebenso starke Wirkung auf ihn aus. Vampire widerten sie nicht an. Dass er einem ähnelte, gefiel ihr.
Natürlich war er kein Narr. Viele Mädchen bildeten sich ein, sie würden die Gesellschaft eines Vampirs genießen, wenn es welche gäbe. In Wirklichkeit würden sie schreiend weglaufen. Trotzdem schöpfte er Hoffnung.
»Sophie Bryce, nicht wahr? Die Brautjungfer?« Dieses entwaffnende Lächeln hatte er zwei Jahrtausende lang geübt.
Sie blinzelte, und er las wieder ihre Gedanken. Verzweifelt versuchte sie, einen klaren Kopf zu behalten, nachdem er so plötzlich aufgetaucht war. In den letzten Tagen hatte sie sich seinetwegen gequält. Jede Nacht hatte er sie beobachtet, und er wusste, dass sie sich hasste, weil sie ihn begehrte.
Nun spürte er den leichten Schmerz in ihrem Arm, den ihre Freundin festhielt. Taylor grub ihre Finger in Sophies Oberarm, ihre braunen Augen klebten geradezu an Az. Dass jemand seinem Sternenengel auch nur das geringste Unbehagen bereitete, konnte er nicht ignorieren, obwohl dieses Mädchen es unbewusst tat. Aber er zügelte seinen aufsteigenden Zorn.
Sophie hingegen schien dem Schmerz zu danken, der die Nebel aus ihrem Gehirn verscheuchte und sie zur Besinnung brachte. Sie schüttelte Taylors Hand ab und räusperte sich. »Ja …« Schon bei diesem Wort drohte ihre Stimme zu brechen, und er unterdrückte ein Lächeln. Nach einem tiefen Atemzug fuhr sie fort: »Das bin ich.« Wie verdammt süß sie war, die Hälfte der zauberhaften goldenen Locken unter der Penguins-Mütze versteckt … Ein paar Strähnchen umrahmten ihr Gesicht und liebkosten es, so wie er es tun wollte.
Leise lachte er und prüfte die Wirkung, die er damit auf Sophie ausübte. Ihre Augen strahlten, sie öffnete die Lippen, die Wangen färbten sich rosig. Da erhob das Monster in ihm den Kopf. Wenn er nicht aufpasste, würden seine Augen zu glühen beginnen. »An jenem Abend fanden wir keine Gelegenheit, uns kennenzulernen.« Notgedrungen setzte er die Scharade fort.
»Nein, die ergab sich nicht«, bestätigte sie, erleichtert, weil ihr die Stimme wieder gehorchte.
Jetzt betrachtete er ihre Freundinnen. Für eine Weile musste er von Sophie wegschauen, lange genug, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Sein Blick schweifte über die beiden Gesichter, dann zu den zwei Männern hinter den Mädchen.
Wie ihm ein schneller Check ihres Unterbewusstseins verriet, hatten sie beide ein Studium an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh abgeschlossen. Der eine Typ, der Sohn eines reichen Fabrikanten, hieß Richard, und er hatte sich etwas zu viel ausgemalt, was Sophie betraf.
Reglos stand Azrael da. Über seine Züge glitt ein Schatten. Das spürte er, und er wusste, dass er seine Wut nicht verhehlen konnte. Doch es war ihm egal.
Richard sank in seinen Sitz zurück, rang nach Luft, und alles Blut wich aus seinem Gesicht. Vor ihm hüstelte Sophie und lenkte Azraels Aufmerksamkeit wieder auf sich. Langsam stand sie auf. »Az, das sind meine Freundinnen Taylor und Emily.« Die beiden lächelten höflich, aber nervös und nickten ihm zu.
Noch immer schimmerten ihre Augen aufgrund seiner Anwesenheit etwas glasig, und er half ihnen mittels seiner Magie zu relaxen.
Schon lächelte Taylor unbefangen und stand auf, um ihn richtig zu begrüßen. »Freut mich«, sagte sie und gab ihm ihre Hand, die er schüttelte.
»Ganz meinerseits.« Er verbeugte sich leicht. Dann drückte er auch Emily die Hand und las Sophies Gedanken.
Sie fragte sich, warum ihre Freundinnen nicht merkten, dass er der Maskierte war. Für sie war das offensichtlich, seit sie sein Geheimnis kannte. Alles an ihm verströmte das Charisma des Rockstars, der Millionen Fans begeisterte.
Nun glitt ihr Blick über seinen Körper, und er verbarg sein Triumphgefühl, als sie schamlos sein schwarzes Hemd unter dem offenen Sportjackett und dem Trenchcoat anstarrte, das seine ausgeprägte
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