Azrael
normalerweise schwarze Augen funkelten in höllischem Rot, als er sich langsam umdrehte und sich umzingelt sah. Weil Kevin niemanden hinterrücks anzugreifen pflegte, wartete er, bis Uro in seine Richtung schaute. Dann konzentrierte er seine innere Energie und strahlte sie in Form eines Feuerballs aus. Er spürte, wie die Flammen den Sauerstoff erstaunlich schnell aus der Luft sogen.
Welche Magie auch immer für den Sauerstoff in diesem unterirdischen Raum gesorgt hatte – gegen ein Feuer war er nicht immun. Wie von einem Flammenwerfer geschleudert, raste es durch die Höhle und erfasste Uro. Ein orangerotes Inferno verschlang ihn und verhinderte, dass er auf Kevin zukam, der keine Zeit vergeudete. Blitzschnell umgab der General seinen brennenden Widersacher mit einem Kraftfeld aus dunkler, schmerzhafter Energie.
Für den alten Vampir gab es kein Entrinnen. Das Kraftfeld hielt ihn im Feuer fest und drängte ihn zur Wand zurück, die vorletzte Fackel verglühte am Boden.
Irgendwo über ihnen schlugen Blitze ein, der Donner wurde von Uros gellenden Schmerzensschreien übertönt.
In der Höhle war alles im Zeitlupentempo geschehen, jeder Moment zu einer kleinen Ewigkeit verlängert worden. In Wirklichkeit hatte der schicksalhafte Kampf nur wenige Sekunden gedauert – für Uro lange genug, um Azrael zu verständigen. Zweifellos war der einstige Todesengel bereits auf dem Weg hierher, das Kraftfeld würde sich bald auflösen und Uro freilassen.
Von diesen Fakten gewarnt, materialisierte Kevin sich wieder. Den rätselhaften Mächten der Schattenwelt begegnete er lieber in seiner normalen Gestalt. Seine Erwählten folgten ihm in den finstersten Winkel der Höhle, in dem Wissen vereint, dass ihnen die Zeit davonlief.
Luke überreichte seinem Gebieter den schlafenden Sternenengel. Denn Kevin hatte, was die Wanderung durchs Schattenreich betraf, die meisten Erfahrungen gesammelt. Und was passieren mochte, wenn sie eine Person mitnahmen, die kein Vampir war, wussten sie alle nicht. Sicher war es am besten, wenn der Anführer die heikle Aufgabe übernahm.
Den Sternenengel an seine Brust gedrückt, holte Kevin tief Atem, bevor er in den Schatten trat, und bemerkte sofort den Unterschied. Es war seltsam und schwierig genug, seinen eigenen Körper durch die nebulöse, surreale Dimension zu befördern. Mit einer bewusstlosen Gefangenen belastet, fand er es noch viel mühsamer. Anfangs gewann er den Eindruck, irgendetwas wollte sie aus seinen Armen reißen. Mit aller Kraft musste er sie festhalten. Die Reise dauerte länger, seine Beine wirkten schwerer, schienen wie in Treibsand zu versinken. Und das Gefühl verflog nicht, behinderte seine Konzentration auf seine Atemzüge, und er begann, sich um Sophie zu sorgen. Atmete sie noch? Würden die Schatten das Leben aus ihrem Körper saugen?
Viel zu langsam kämpfte er sich voran. Aber nach den ersten schwierigen Phasen erkannte er die Schatten wieder, die er durchquerte, und wusste, dass er sich dem Ende des Trips näherte. Wenig später trug er Sophie in sein Büro und betrachtete die schöne Frau auf seinen Armen. Maßlos erleichtert beobachtete er, wie normale Atemzüge ihre Brust hoben und senkten.
Als seine Untertanen hinter ihm eintrafen, überreichte er Luke den schlummernden Sternenengel. Lächelnd und bereitwillig nahm Luke die Frau entgegen, von Sophie Bryce ebenso angetan wie Mitchell zuvor von Juliette und Kevin von Eleanore.
»Azraels Vampire werden uns suchen«, erklärte der General. »Keine Ahnung, ob sie unser Hauptquartier finden werden. Aber möglicherweise können sie das Schattenreich durchqueren und unserer Spur folgen.« Er wartete, bis seine Erwählten das verstanden hatten, bevor er hinzufügte: »Also müssen wir verschwinden. Ruft die anderen hierher.«
21
Azrael spürte den Frust seiner Brüder wie Nadelstiche in seiner Seele. Als er ihnen den Rücken kehrte, schaltete Michael die Lampen im Wohnzimmer des Herrenhauses aus. Gerade hatte Uro nach Az gerufen. Ein Schmerzensschrei voller Angst und Verzweiflung. Ohne Vorwarnung hatten die Adarianer zugeschlagen – unmöglich – und sich durch die Schatten an Sophies Versteck herangeschlichen.
Irgendwie musste Abraxos, der zum Vampir mutierte Adarianer, die Kunst der Schattenreise erlernt und drei seiner Männer auf den makabren Wegen mitgenommen haben. Dann waren sie in der Höhle über Uro hergefallen und mit Sophie verschwunden.
In den zweitausend Jahren seines Vampirdaseins hatte Az die
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