Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
Marianer erzählt, dass er versuchte, ihrer habhaft zu werden, indem er die gesamte Insel nach unten zog, um sie so näher an seine Unterwelt zu bringen. Ein Vorhaben, das fehlschlug – Demeter errettete ihre Tochter, bevor er sie fangen konnte.«
»Was hat das nun mit den Marianern zu tun?«, verlangte ich zu wissen.
»Ganz einfach: Auf dieser Insel lebten ebenfalls Menschen, und die Götter des Olymps hatten Mitleid mit ihnen, weil sie zu Unrecht in den Streit der Götter hineingezogen wurden. Es war übrigens Persephone, die Poseidon schlussendlich überzeugte, den Menschen unter Wasser einen Lebensraum zu schaffen, ihnen den göttlichen Atem erneut einzuhauchen und ihnen Kiemen zu verleihen, damit sie weiterleben konnten.Persephone weinte aus Liebeskummer rote Tränen, die ins Meer fielen, dort violett wurden und zu dem Gestein wurden, das jetzt an meiner Kette hängt.
Diese Stadt, diese Insel, ist das, was man heutzutage als ›Atlantis‹ kennt, versenkt durch den Streit einer verzweifelten Liebe der Götter.
Den Rest kennst du bestimmt: Hades gelang es, durch eine List zu erwirken, dass Persephone jedes halbe Jahr zu ihm in die Unterwelt kommen durfte, wo sie an seiner Seite über die Toten regierte, während sie im Sommer wieder an die Erdoberfläche kam.«
Er holte tief Luft.
»Die Marianer blieben tatsächlich dort unten. Das Königsgeschlecht der Insel wurde größer und irgendwann war zu wenig Platz in Atlantis. Sie entwickelten sich über die Jahrhunderte weiter, zogen schließlich aus und neue Kolonien wurden gegründet. Nur wenige überstanden die Gezeiten, aber heute gibt es noch genau zwölf Städte unter der Meeresoberfläche, in der die eine Hälfte meiner Familie lebt.«
Mit diesen Worten schloss River seine Erzählung, strich noch einmal sein Haar beiseite und wies auf seine Kiemen. »Noch immer trage ich die Zeichen Poseidons auf meiner Schläfe. Ich habe eine Lunge, so wie alle Marianer eine Lunge haben, aber ich bin einer der Wenigen, der sie einsetzt.«
Ich war sprachlos. Seine Geschichte war – wenn man die Grundvoraussetzungen akzeptierte – in sich schlüssig und noch dazu faszinierend. Eine Liebe, die einem Volk die Fähigkeit gegeben hatte, unter dem Meer zu leben … Das war unglaublich. Was sollte ich dazu sagen?
»Ich nehme an, deswegen war es dir möglich, mich aus dem Auto zu retten?«
River nickte: »Ich bin im Wasser bedeutend schneller, als ich es an Land bin, obwohl sich meine verbesserten Sinne und Fähigkeiten auch auf das Land beziehen. Deswegen war es auch kein Problem für mich, innerhalb weniger Sekunden bei dir zu sein und dich aus dem Wagen zu ziehen; der Druck des Wassers, der nach innen wirkte, war nichts im Vergleich zu meiner Kraft. Und so konnte ich auch Tyler niederschlagen, ohne wirklich Kraft aufzuwenden … Trotz allem bin ich nur ein halber Marianer. Meine Mutter war ein ganz normaler Mensch.«
Erst jetzt fiel mir seine Familie wieder ein.
»Heißt das, dein Vater Giles ist –«
»Nein.« Er unterbrach mich hastig. »Giles ist nicht mein richtiger Vater. Er hat mich nach dem Tod meiner Eltern aufgezogen.«
Mitfühlend legte ich eine Hand auf seine Schulter. »Das tut mir leid.«
»Ich bin okay«, erwiderte er mit einem Blick, der anderes vermuten ließ, obwohl er beinahe meine Hand abgeschüttelt hätte. »Ich war noch sehr jung, als es passierte.«
»Willst du mir sagen, wie es passiert ist?«, fragte ich vorsichtig, doch er schüttelte nur den Kopf: »Nein. Dafür ist noch nicht der richtige Augenblick. Du weißt jetzt mehr als irgendein anderer Mensch – außer Giles.«
Die Bedeutung seiner Worte drang langsam zu mir durch. Er widmete mir großes Vertrauen. River glaubte, dass ich sein Geheimnis bewahren könnte … Und das würde ich tun.
»Ich werde es niemandem verraten, River«, schwor ich ihm mit der Inbrunst eines Mädchens, das sich gerade bewusst wird, dass ein Junge sie doch irgendwie zu mögen schien.
»Aber ich habe trotzdem eine Bitte …«, fügte ich hinzu.
River ließ mich nicht ausreden. Wütendes Misstrauen spiegelte sich auf seinem Gesicht: »Ach, tatsächlich? Willst du jetzt etwa, dass ich mir dein Schweigen mit irgendwas erkaufe?«
»Nein, River«, antwortete ich ihm geduldig, »das will ich nicht.« Ein Seufzer entfuhr mir. »Wäre es nicht möglich für dich, dass du aufhörst, solche Verbitterung gegen mich zu haben? Ich will dir nichts Böses. Im Gegenteil. Du hast mir das Leben gerettet, River – und ich
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