Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
verhielten uns vollkommen ungezwungen.
Und es war gut so.
»Erklär mir alles«, bat ich ihn. »Wie sieht es dort unten aus? Wenn ich es schon nicht sehen werde, dann – lass mich wenigstens wissen, wie ich es mir vorstellen muss.«
»Also schön …« River ließ sich wieder ins Wasser gleiten und trieb vor sich hin, bevor er weitersprach.
»Azulamar ist mittlerweile fast fünfhundert Jahre alt und wurde von einem Marianer namens Dracion gegründet. Er gehörte noch zu dem direkten Königsgeschlecht von Atlantis. Seine Frau Iris war es jedoch, die ihn zu dem Bau von Azulamar wirklich inspirierte – vielleicht weißt du, dass Iris ›Regenbogen‹ bedeutet, und genau das ist es, an was einen Azulamar wirklich erinnert. Eine Stadt, gebaut aus Kristallen und Korallen – nur wir Marianer besitzen derartige Rohstoffe und nur wir können ihnen derartige architektonische Schönheit entlocken – die so schillert und glänzt wie ein Regenbogen. Blau und violett, blasses Grün und zartes Rosé … Glaub mir, Azulamar ist bei Weitem die schönste Stadt, die es dort unten gibt.« Er lächelte, während er sprach.
»Das klingt wundervoll.«
»Es ist auch wundervoll. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Gebäudetypen: hohe, spitze Türme, die gedreht gen Himmel wachsen, Kuppeln, Balustraden, Balkons, kleinere, bungalowartige Häuser … Und natürlich unser Palast.«
»
Euer
Palast?«, hakte ich nach.
Verlegen wandte er sich zu mir um und war mit einem Armzug wieder bei mir. »Habe ich das so ausgedrückt? Nun, ja. Es ist unser Palast. Der von meiner Familie und mir.«
»Heißt das, du bist ein Sprössling aus der Königsfamilie von Atlantis?«
»Ja. Meine Großmutter ist die Königin Hippolyta. Eines Tages werde ich ins Meer zurückkehren, aber Giles ist der Meinung, dass ich noch etwas warten sollte. Bis ich die Schule beendet habe, um genau zu sein. Keine Ahnung, was ich mit diesem Wissen in Azulamar anfangen soll.« Er zuckte etwas verlegen mit den Schultern.
»Das heißt, du bist ein Prinz.« An mir war es nun, amüsiert zu sein. »Prinz River …« Diese Vorstellung entlockte mir ein Lachen.
»Du machst dich lustig über mich!«, beschwerte sich River und hatte Mühe, sein Grinsen zu verbergen.
»Überhaupt nicht«, behauptete ich.
»Na warte!« Er griff nach meinen Füßen, zog mich ins Wasser und im nächsten Augenblick lieferten wir uns eine heftige Wasserschlacht, die er mühelos gewonnen hätte, wenn er sich nicht ein wenig zurückgenommen hätte.
Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug, genauso wie die nächsten Tage.
Sie jetzt explizit zu erklären, hätte keinen Sinn, denn es passierte nichts Spektakuläres. River und ich verstanden uns von Tag zu Tag besser, zeigten das in der Schule aber nicht sehr. Er saß in der Cafeteria weiterhin allein und ich bei meiner Clique. Wir redeten im Unterricht nicht miteinander, aber wir trafen uns oft nach der Schule.
Eric und die anderen beäugten das eher skeptisch, aber das war mir egal.
Tyler versuchte mehrmals, mit mir zu sprechen. Immer wieder fragte er: »Was hat er, was dich so fasziniert? Wieso verbringst du so viel Zeit mit ihm?«
Aber ich tat nur geheimnisvoll, gab keine Antworten und spürte in solchen Augenblicken den warmen Blick aus Rivers Augen auf meiner Haut.
An den Nachmittagen gingen wir spazieren oder sprachen über Gott und die Welt. Es war der Beginn einer Freundschaft, wie sie sein sollte – ehrlich und irgendwie zärtlich, auf ihre ganz eigene Art und Weise.
Wir tauschten Blicke und Gefühle aus, lernten, die Körpersprache des anderen besser zu deuten, und immer, wenn wir uns über den Weg liefen, nickten wir uns stumm zu, als wollten wir unser Abkommen über Wissen und Schweigen jedes Mal wieder erneuern.
Die Wochen vergingen ereignislos, bis sich Mitte Oktober wieder alles veränderte.
Ich kam gut gelaunt zu meinen Freunden.
»Guten Morgen!«, rief ich fröhlich. »Was steht heute an?«
»Nichts Besonderes«, sagte Mandy beiläufig.
Beiläufig? Nein! Eher – ausweichend. Ich legte die Stirn in Falten: »Warum sagst du das so komisch?«
Mandy sah mir ausdruckslos ins Gesicht: »Tu ich doch gar nicht.«
Ich ließ es für diesen Moment gut sein, aber ihr merkwürdiges Benehmen hatte in mir eine gewisse Aufmerksamkeit geweckt. Was war los? Sollte irgendwas passieren, wovon ich nichts wusste? Ich beschloss, Eric danach zu fragen, als wir kurz darauf zur Klasse gingen. Doch er reagierte ebenso abweisend: »Es ist gar
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