Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
schockiert, dass River sogar wusste, ich welchem Raum ich schlief.
»Nun, ist ja auch egal …«, versuchte er, wieder zum ursprünglichen Thema zurückzukommen: »Ich klettere einfach nach oben, öffne dein Fenster, hole dir saubere Klamotten und komme wieder zu dir herunter.«
»Ähm – du willst … Klamotten aus meinem Schrank holen?«
Es war ja nichts Ungewöhnliches, dem festen Freund irgendwann mal das eigene Zimmer zu zeigen, aber musste der erste Besuch bei mir zu Hause damit beginnen, dass er Sachen aus meinen Schränken holte? Wirklich recht war mir das nicht.
»Willst du, dass sie dir Hausarrest geben, weil sie denken, dass ich irgendein gefährlicher Wasserfetischist bin?«, fragte River streng.
Seufzend gab ich nach.
»Manchmal kannst du ein ganz schöner Sturkopf sein«, ließ ich ihn wissen.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte er zynisch, bevor er – ohne ein weiteres Wort – aus dem Auto ausstieg und sich auf den Weg zu meinem Fenster machte.
Kritisch beobachtete ich, wie River kurz die Lage überblickte, dann vorsichtig testete, ob die Efeuranke an dem hellen Haus sein Gewicht tragen würde.
Dann kletterte er auch schon los – so geschickt, als ob er eher in die Berge gehörte als ins Meer. Er hangelte sich von Rebe zu Rebe, griff nach Unebenheiten, setzte seinen Fuß in ein Pflanzengitter und schon war er bei mir oben angekommen.
Fassungslos beobachtete ich, wie es River mühelos gelang, seinen sehnigen Arm durch den schmalen Spalt zu schieben, mein Fenster komplett zu entriegeln und es schließlich zu öffnen. So schnell wie ein Schatten glitt er hinein und war für einige Sekunden verschwunden. Es dauerte nicht lange, da tauchte er schon wieder auf. Dieses Mal war er zwar nur einhändig unterwegs, weil er mit der anderen Hand mein Kleiderbündel halten musste, aber trotz allem war er schon wenige Augenblicke später wieder bei mir. Er warf mir die Kleidungsstücke zu.
»Hoffentlich verstehst du genauso viel von Mode wie vom Klettern«, bemerkte ich spitz, während ich seine Wahl begutachtete.
»Ich konnte nicht zu viele Einzelteile gebrauchen«, erklärte er mir, als ich mein kleines Schwarzes mit V-Ausschnitt auseinanderfaltete.
»Na sicher …«, lachte ich. »Dann dreh dich um.«
»Was?«
»Dreh dich um. Ich muss mich umziehen.«
»Ich habe dir drei Mal das Leben gerettet und dann darf –«, begann er sich zu beschweren, aber ich unterbrach ihn.
»Einmal bis zweimal, River, nicht übertreiben!«, mahnte ich.
»– und dann darf ich dir noch nicht mal zugucken, wie du dich umziehst?«
»Nein, das gehört sich nicht«, lachte ich. Es konnte so viel Spaß machen, ihn zu ärgern. Murrend drehte er sich weg, sodass ich in Windeseile aus meinen nassen Klamotten in mein Kleid schlüpfen konnte. Rasch kämmte ich mir mein Haar mit den Fingern durch – an den Spitzen war es noch ein wenig feucht, aber das würde niemandem sonderlich auffallen.
»Okay, ich bin fertig«, verkündete ich, und River drehte sich herum.
»Du siehst toll aus.«
»Danke«, erwiderte ich knapp, zog River zu einem Kuss heran, griff dann nach seiner Hand und zerrte ihn hinter mir her zu unserer Haustür.
»Jetzt lernst du
meine
Welt kennen.« Ich freute mich auf den Abend.
»Halt! Noch nicht aufschließen! Was muss ich machen, wenn ich drei Dutzend Gabeln und Messer kriege?«
»Von außen nach innen arbeiten. Mach es einfach so wie ich. Ich glaube aber nicht, dass es ganz so viele werden.« Ich zwinkerte ihm aufmunternd zu.
Es war kaum zu glauben, dass River sich Sorgen machte, er könnte bei den Essensgepflogenheiten nicht mit meiner Familie übereinstimmen. Im Vergleich zu seiner früheren Einstellung war das eine deutliche Verbesserung.
Kaum drehte sich mein Schlüssel im Schloss herum, wurde die Tür aufgerissen und meine Mom fiel mir um den Hals.
»Ashlyn! Wo bist du gewesen? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«, schluchzte sie an meinem Hals, während ich auf ihren Rücken klopfend versuchte, mein Gleichgewicht zu halten und nicht zusammen mit ihr die Stufen zum Haus hinunterzustürzen.
Das war meine Mom: wie immer ein wenig dramatisch, zum Übertreiben neigend und doch so liebenswert dabei. Ich lief leicht rot an.
»Mom, bitte, ich war nur ein paar Stunden weg … Ich hab heute freigehabt, wollte euch nicht wecken und River und ich haben uns getroffen …«, erklärte ich.
Schlagartig ließ sie mich los, zog sich ihren Burberry-Rock zurecht und warf einen raschen Blick auf River, der
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