Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
einem Thron aus dem gleichen Material, der direkt aus der Wand gehauen schien.
Von dem Thron ging ein violetter Glanz aus.
Und auf diesem Thron saß Königin Hippolyta, vor ihr standen River und Paradise.
Als die Türen hinter mir ins Schloss fielen, gaben sie einen dumpfen Laut von sich, obwohl das Wasser ihr Aufkommen natürlich abfing.
Alle drei drehten sich zu mir um.
Meine Schultern zitterten. Warum war River jetzt nicht hier, bei mir, am Eingang? Warum hatte er nicht auf mich gewartet?
»Das ist sie, Großmutter«, hörte ich seine Stimme. Das Wasser trug den Schall zu mir herüber. »Das Mädchen, von dem ich dir erzählt hatte.«
»Komm näher.« Der bronzene Klang der Stimme der Königin erreichte mich. Ich gehorchte augenblicklich, und mir kam es so vor, als hätte ich eben diese Situation schon einmal erlebt. Wie eine Art Déjà-vu …
Endlich erreichte ich den Fuß der Treppe.
Ehrfürchtig neigte ich den Kopf, ohne jedoch meine Augen von derKönigin zu lösen. Sie sah sehr, sehr schön aus und Paradise war eindeutig die jüngere Version von ihr.
Hippolytas langes, schlohweißes Haar war zum Teil zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt, die von einer grauen Korallenkrone geziert wurde, zum Teil umgab es losgelöst und in sanften Wellen ihr Gesicht. Es war faltig, aber keineswegs müde. Keine dunklen Schatten zeichneten sich unter den sturmblauen, lebhaften Augen ab, die mit Sicherheit gewohnt waren, auf andere herabzublicken. Der Ausdruck in ihrem Gesicht sprach von harten Zeiten, von Macht und Herrschaft, von Zeitaltern und Ären, die sie durchlebt und geformt hatte.
Ihr Gewand funkelte ebenso regenbogenartig wie die Stadt selbst und war verhüllender und zurückhaltender als das von Paradise. An einem plissierten, weißblauen Stehkragen um ihren Hals erkannte man ihre Königswürde.
Erst jetzt begriff ich, dass der violette Schein nicht von dem Thron ausging, sondern von ihrem Finger, an dem ein Viorev-Ring steckte, und von einem atemberaubenden Dreizack, der einen derartigen Stein im Schaft der mittleren Zacke trug und im Thron selbst steckte.
»Wie ist dein Name?«, wollte die Königin wissen.
»Ashlyn, Hoheit«, antwortete ich ruhig, während ich mich wieder aufrichtete.
»Hat dir mein Enkel, Prinz River« – ich musste lächeln – »die Kette seines Vaters geschenkt?«
»Er hat sie mir gegeben. Ob sie ein Geschenk war, weiß ich nicht«, erwiderte ich, nach Rivers Blick suchend.
»Zeig mir die Kette. Aber nimm sie nicht ab«, verlangte die Königin und winkte mich mit einer herrschaftlichen Geste zu sich heran.
Ich erklomm die Stufen zum Thron, zog den Kragen meiner Bluse ein Stückchen zurück, griff nach dem Anhänger und hob ihn an, so gut es ging – denn die Kette war ja zum Teil mit meiner Haut verschmolzen.
Die Königin beugte sich nach vorne, musterte erst scharf den Stein, der immer noch tiefblau war, dann sah sie mir wieder ins Gesicht. Hippolyta griff nach meiner Hand, drehte sie herum und betrachtete schweigend das tränenförmige Mal.
»River hatte recht«, ließ sie dann verlauten, und ich sah aus den Augenwinkeln, wie River erleichtert aufatmete.
Hatte sie ihm etwa nicht geglaubt, dass ich ein Wasserflüsterer war?
Königin Hippolyta erhob sich, und bevor ich etwas sagen konnte, hatte sie die Arme um mich gelegt und mich zu einer symbolischen Umarmung herangezogen, bei der sie meine beiden Wangen küsste und die Fingerspitzen ihrer Hand auf meine Stirn legte. »Du bist ein Wasserflüsterer, ohne Zweifel. Aber du bist keine Marianerin. Ich halte nichts davon, dass du eine Beziehung zu meinem Enkel pflegst.«
Sie bedachte mich mit einem strengen Blick.
»Aber er ist erwachsen, und ich bin mir sehr sicher, dass er früher oder später erkennen wird, dass du ihm nicht guttust.«
Ungläubig und mit unverhohlener Wut sah ich die Königin an. Was erlaubte sich diese Person eigentlich? Erst begrüßte sie mich wie eine Freundin, dann solche Worte aus ihrem Mund! Wie konnte sie bitte ermessen, ob eine Beziehung mit mir River guttat oder nicht!? Ließ er sich das etwa gefallen!?
Empört blickte ich zu River, doch der hatte nur die Arme verschränkt und sein Gesicht ließ keinen Schluss auf seine inneren Gefühle zu, war seine Mimik doch so erstarrt wie die einer Marmorstatue.
Die Wut köchelte langsam in mir hoch.
»Verzeiht, Hoheit«, brachte ich mit mühsam errungener Beherrschung hervor. »Aber ich glaube, Ihr solltet besser uns die Entscheidung überlassen, was
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