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am College und sogar noch vor einiger Zeit hatte ich, wenn ich zu einem Abendessen oder einer Cocktailparty ging, immer eine Karteikarte mit drei bis fünf passenden amüsanten Anekdoten dabei. Ich überlegte sie mir tagsüber – und sobald mir etwas einfiel, schrieb ich es auf. Wenn ich mich dann abends zu Tisch setzte, wartete ich auf die geeignete Lücke und platzierte sie. Es gab buchstäblich Zeiten, in denen ich auf die Toilette ging, um meine Karten herauszuholen und mir ins Gedächtnis zu rufen, wie meine kleinen Geschichten gingen.«
Mit der Zeit hörte Edgar jedoch auf, mit Karteikarten auf Dinnerpartys zu gehen. Er hält sich immer noch für einen Introvertierten, aber er ist so sehr in seine extravertierte Rolle hineingewachsen, dass es ihm allmählich leichtfällt, Anekdoten zu erzählen. Tatsächlich sind die Menschen mit der ausgeprägtesten Selbstbeobachtung nicht nur gut darin, die erwünschte Wirkung und Emotion in einer bestimmten sozialen Situation zu erzielen – sie empfinden auch weniger Stress dabei.
Im Gegensatz zu den Edgars dieser Welt gründen Menschen mit geringer Selbstbeobachtung ihr Verhalten nur auf ihren eigenen inneren Kompass. Ihnen steht ein kleineres Repertoire an sozialem Verhalten und Masken zur Verfügung. Sie sind weniger empfänglich für situative Signale, etwa wie viel Anekdoten von einem Gast bei einer Dinnerparty erwartet werden, und auch weniger interessiert daran, eine Rolle zu spielen, selbst wenn sie die Signale erkennen. Es ist, als würden Menschen mit geringer Selbstbeobachtung und solche mit hoher Selbstbeobachtung vor verschiedenem Publikum auftreten, sagt Snyder, die einen vor einem inneren, die anderen vor einem äußeren.
Wenn Sie herausfinden wollen, wie gut Ihre Selbstbeobachtung ist, folgen hier einige Fragen aus Snyders Selbstbeobachtungsskala:
□ Wenn Sie unsicher sind, wie Sie sich in einer gesellschaftlichen Situation verhalten sollen, schauen Sie dann beim Verhalten anderer nach Anhaltspunkten?
□ Holen Sie oft den Rat Ihrer Freunde ein, wenn Sie Filme, Bücher oder Musik aussuchen?
□ Verhalten Sie sich in verschiedenen Situationen und mit verschiedenen Menschen oft wie ein völlig anderer Mensch?
□ Fällt es Ihnen leicht, andere Menschen nachzuahmen?
□ Können Sie jemandem in die Augen schauen und, ohne die Miene zu verziehen, eine Lüge erzählen, wenn es einem guten Zweck dient?
□ Täuschen Sie manchmal bei Menschen Freundlichkeit vor, wenn Sie sie in Wirklichkeit nicht mögen?
□ Ziehen Sie eine Show ab, um Menschen zu beeindrucken oder zu unterhalten?
□ Tun Sie manchmal vor anderen so, als hätten Sie tiefere Gefühle, als es in Wirklichkeit der Fall ist?
Je mehr von diesen Fragen Sie mit ja beantwortet haben, desto ausgeprägter ist Ihre Selbstbeobachtung.
Stellen Sie sich nun die folgenden Fragen:
□ Ist Ihr Verhalten gewöhnlich ein Ausdruck Ihrer wahren inneren Gefühle, Einstellungen und Überzeugungen?
□ Stellen Sie fest, dass Sie nur für Ideen plädieren können, an die Sie bereits glauben?
□ Würden Sie sich weigern, Ihre Meinung oder Ihre Art, Dinge zu tun, zu ändern, um anderen zu gefallen oder ihr Wohlwollen zu gewinnen?
□ Sind Ihnen Spiele wie Charaden und improvisierte Schauspielerei unsympathisch?
□ Haben Sie Schwierigkeiten, Ihr Verhalten zu ändern, um es an verschiedene Menschen und Situationen anzupassen?
Je mehr von diesen Fragen Sie mit ja beantwortet haben, desto weniger ausgeprägt ist Ihre Selbstbeobachtung.
Als Professor Little in seinen Seminaren über Persönlichkeitspsychologie das Konzept der Selbstbeobachtung einführte, fragten einige seiner Studenten aufgebracht, ob hohe Selbstbeobachtung ethisch vertretbar sei. Ein paar »gemischte« Paare – hohe und geringe Selbstbeobachter, die miteinander liiert waren – trennten sich deswegen sogar, wie man ihm berichtete. Einem Menschen mit hoher Selbstbeobachtung kommen Menschen mit geringer Selbstbeobachtung möglicherweise rigide und linkisch im Umgang mit anderen vor. Ein Mensch mit geringer Selbstbeobachtung hingegen kann Menschen mit hoher Selbstbeobachtung als konformistisch und verlogen empfinden – als »eher pragmatisch statt idealistisch orientiert«, um mit Mark Snyder zu sprechen. Tatsächlich hat man festgestellt, dass Menschen mit hoher Selbstbeobachtung bessere Lügner als Menschen mit geringer Selbstbeobachtung sind, was den moralistischen Standpunkt von Menschen mit geringer Selbstbeobachtung unterstützen
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