B00B5B7E02 EBOK
Kinder aussieht.
Nehmen wir den Fall von Joyce und ihrer siebenjährigen Tochter Isabel. Isabel ist eine elfengleiche Zweitklässlerin, die gern Glitzersandaletten und bunte Gummiarmbänder trägt, die sie um ihre dünnen Arme schlingt. Sie hat mehrere »beste Freundinnen«, mit denen sie Geheimnisse austauscht, und kommt mit den meisten Kindern in ihrer Klasse gut zurecht. Sie ist die Art Kind, die eine Klassenkameradin, der es schlecht geht, in den Arm nimmt; sie gibt sogar ihre Geburtstagsgeschenke an Wohltätigkeitsvereine weg. Aus diesem Grund war ihre Mutter Joyce, eine attraktive, warmherzige Frau mit geistreichem Humor und einer »Her-damit«-Einstellung von Isabels Problemen in der Schule so verwirrt.
In der ersten Klasse kam Isabel oft tief beunruhigt über die Klassenzicke nach Hause, die jedem Kind gemeine Bemerkungen entgegenschleuderte, das empfindlich genug war, sich davon treffen zu lassen. Obwohl das Mädchen meistens auf anderen Kindern herumhackte, nahm Isabel das, was es gesagt hatte, stundenlang auseinander, überlegte, was dahintersteckte und sogar, was die Zicke vielleicht zu Hause auszustehen hatte, wenn sie sich in der Schule so schlecht aufführte.
In der zweiten Klasse bat Isabel ihre Mutter, keine Verabredungen zum Spielen für sie zu treffen, ohne sie vorher zu fragen. Gewöhnlich blieb sie lieber zu Hause. Wenn Joyce Isabel von der Schule abholte, sah sie oft, wie die anderen Mädchen in Gruppen zusammenstanden und Isabel auf dem Schulhof allein Bälle in den Korb warf. »Sie mischte sich einfach nicht unter die anderen. Es war mir eine Zeitlang unmöglich, sie abzuholen«, erinnert sich Joyce. »Ich konnte es einfach nicht mit ansehen.« Joyce verstand nicht, warum ihre süße, liebevolle Tochter so viel allein sein wollte. Sie befürchtete, dass mit Isabel etwas nicht stimmte. Sollte es ihr trotz ihres Einfühlungsvermögens an Kontaktfähigkeit mangeln?
Erst als ich Joyce auf die Idee brachte, dass ihre Tochter vielleicht introvertiert war, und ihr erläuterte, was das bedeutete, begann sie, Isabels Erfahrungen in der Schule anders zu bewerten. Aus Isabels Sicht klangen die Dinge überhaupt nicht alarmierend. »Ich brauche nach dem Unterricht eine Pause«, sagte sie mir einmal. »Schule ist anstrengend, weil so viele Kinder im Klassenzimmer sind; das macht mich müde. Mir ist es zu viel, wenn meine Mutter für mich ungefragt Verabredungen zum Spielen trifft, denn ich möchte meinen Freundinnen nicht wehtun. Aber ich bleibe lieber zu Hause. Im Haus einer Freundin muss ich mich nach anderen richten. Ich bin nach der Schule gern mit meiner Mutter zusammen, weil ich von ihr lernen kann. Sie ist viel länger auf der Welt als ich. Ich kann mit ihr über alles reden. Ich mag gute Gespräche, denn die machen Menschen glücklich.«
Isabel macht mit all der Klugheit einer Zweitklässlerin deutlich, dass Introvertierte durchaus kontaktfähig sind. Natürlich nehmen sie Kontakt auf. Sie tun es nur auf ihre Art.
Jetzt, wo Joyce Isabels Bedürfnisse versteht, denken sich Mutter und Tochter begeistert gemeinsam Strategien aus, damit Isabel ihren Schultag gut übersteht. »Vorher wollte ich, dass Isabel dauernd rausgeht und sich mit anderen trifft, und habe ihre schulfreie Zeit mit Aktivitäten vollgepackt«, sagt Joyce. »Jetzt begreife ich, dass Schule für sie sehr stressig ist. Deshalb überlegen wir gemeinsam, wann und wie viele Verabredungen sinnvoll sind.« Joyce hat nichts mehr dagegen, dass Isabel nach der Schule eine Weile auf ihr Zimmer geht oder einen Geburtstag ein bisschen eher verlässt als andere Kinder. Sie hat begriffen, wenn Isabel ihr Verhalten nicht als Problem ansieht, sollte es auch für sie, Joyce, keinen Grund geben, es so zu sehen.
Joyce hat auch gelernt, wie sie ihrer Tochter helfen kann, mit den ungeschriebenen Gesetzen auf dem Spielplatz umzugehen. Isabel wusste einmal nicht, wie sie ihre Zeit unter drei Freundinnen aufteilen sollte, die miteinander nicht auskamen. »Mein ursprünglicher Instinkt«, sagt Joyce, »wäre zu sagen: Mach dir nichts draus! Spiel einfach mit allen dreien! Aber inzwischen habe ich begriffen, dass Isabel eine andere Sorte Mensch ist. Es fällt ihr schwer, eine Strategie zu entwickeln, wie sie mit diesen Kindern gleichzeitig auf dem Spielplatz umgehen kann. Also besprechen wir, mit wem sie wann spielt, und proben, was sie ihren Freundinnen sagen kann, um die Situation zu glätten.«
Als Isabel ein paar Jahre älter war, wirkte sie einmal
Weitere Kostenlose Bücher