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der Freude an Nähe. Introvertierte suchen wie jedes andere Kind Anschluss an andere – wenn auch oft in geringerem Maße.
Der Schlüssel ist, Ihr Kind neuen Situationen und Menschen allmählich auszusetzen und darauf zu achten, dass seine Grenzen respektiert werden, selbst wenn sie allem Anschein nach sehr eng sind. Auf diese Weise vermittelt man Kindern mehr Selbstbewusstsein, als wenn man sie überbehütet oder zu stark fordert. Vermitteln Sie dem Kind, dass seine Gefühle normal und natürlich sind, aber auch, dass es vor nichts Angst zu haben braucht: »Ich weiß, dass es sich komisch anfühlen kann, mit einem fremden Kind zu spielen, aber ich wette, der Junge dort würde gern mit dir zusammen mit deinen Autos spielen, wenn du ihn fragst.« Passen Sie sich an das Tempo des Kindes an, setzen Sie es nicht unter Druck. Wenn es noch klein ist, machen Sie es notfalls mit dem anderen kleinen Jungen bekannt. Und halten Sie sich unbemerkt zur Verfügung – oder legen Sie Ihrem Kind, wenn es noch sehr klein ist, zur Unterstützung sanft die Hand auf den Rücken –, so lange, wie es von Ihrer Gegenwart zu profitieren scheint. Wenn es von selbst Kontakt zu fremden Kindern aufnimmt, zeigen Sie ihm, dass Sie seine Bemühungen bewundern: »Ich habe gesehen, wie du gestern zu den fremden Kindern hingegangen bist. Ich weiß, dass das nicht leicht ist, und ich bin stolz auf dich.«
Dasselbe gilt für neue Situationen. Angenommen, ein Kind hat größere Angst vor dem Meer als andere Kinder in seinem Alter. Kluge Eltern erkennen, dass diese Angst natürlich und sogar vernünftig ist; das Meer ist in der Tat gefährlich. Aber sie lassen weder zu, dass es sich den Sommer über in den Dünen versteckt, noch tauchen sie das Kind unter Wasser und erwarten, dass es schwimmt. Stattdessen signalisieren sie ihm, dass sie sein Unbehagen verstehen, und bitten es, in kleinen Schritten seine Angst zu überwinden. Vielleicht spielen sie ein paar Tage im Sand in sicherer Entfernung von den Wellen. Dann gehen sie an den Rand des Wassers, möglicherweise mit dem Kind auf den Schultern. Sie warten auf ruhiges Wetter oder Ebbe, um den Zeh ins Wasser zu tauchen, dann den Fuß und anschließend bis an die Knie hineinzuwaten. Sobald das Kind damit vertraut ist, warten sie ein oder zwei Tage, vielleicht sogar eine Woche. Eile ist kontraproduktiv; jeder kleine Schritt ist ein Riesenschritt in der Welt des Kindes. Wenn es schließlich lernt, wie ein Fisch zu schwimmen, hat es einen entscheidenden Wendepunkt nicht nur in seiner Beziehung zum Wasser, sondern auch zur Angst erreicht.
Allmählich wird Ihr Kind begreifen, dass es sich lohnt, die Mauer seines Unbehagens zu durchbrechen, um den Spaß zu erleben, der es auf der anderen Seite erwartet. Es wird lernen, den Durchbruch allein zu schaffen. Wie Dr. Kenneth Rubin, der Leiter des »Center for Children, Relationships and Culture« an der Universität von Maryland schreibt: »Wenn Sie Ihrem kleinen Kind auf beschwichtigende und unterstützende Weise konsequent helfen zu lernen, seine Emotionen und Verhaltensweisen in den Griff zu bekommen, wird sich ein kleines Wunder ereignen: Mit der Zeit werden Sie vielleicht beobachten, wie Ihr Kind sich selbst stumm zu versichern scheint: ›Die Kinder dort haben Spaß, ich kann auch dabeisein.‹ Es lernt, Ängstlichkeit und Vorsicht selbst in den Griff zu bekommen.« 2
Wenn Sie möchten, dass sich Ihr Kind diese Fähigkeiten aneignet, sollten Sie es in seiner Gegenwart nie schüchtern nennen. Es wird sonst an das Etikett glauben und seine Ängstlichkeit als feste Charaktereigenschaft statt als Emotion betrachten, die es kontrollieren kann. Es weiß auch sehr gut, dass »schüchtern« in unserer Gesellschaft ein negativer Begriff ist. Vor allem sollten Sie es nicht wegen seiner Schüchternheit demütigen, wie es die Eltern in einem Kinderbuch mit dem Titel Shy Charles tun, das angeblich schüchternen Kindern helfen soll:
»Es ist mir so peinlich«, sagte Charles’ Mutter, als Charles zu ängstlich war, dem Ladenbesitzer auf Wiedersehen zu sagen. »Du sagst nie auf Wiedersehen oder danke. Du hast Glück, dass ich so nett bin. Eine andere Mutter würde dich versohlen.«
»Das geht nicht so weiter«, meinte Charles’ Vater. »Ich habe es satt, immer mit ihm zu kämpfen, bis er danke sagt. Es ist Zeit, dass er Fußball spielen lernt.« 3
Am besten ist es, wenn Sie Ihrem Kind die Fähigkeit zur Risikobereitschaft beibringen, solange es noch ganz klein ist
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