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Leute im Geschäftsleben abzielt, hat die Anzeigen für Williams-Rasiercreme von damals weit hinter sich gelassen. Ein Werbespot auf CNBC, dem Business-Kabelkanal, zeigte einmal einen Angestellten, der bei der Verteilung einer Traumaufgabe zu kurz kam:
Boss zu Ted und Alice: »Ted, ich schicke Alice zur Vertriebskonferenz, weil sie reaktionsschneller ist als du.«
Ted (sprachlos): »…«
Boss: »Also, Alice, du gehst Donnerstag zur –«
Ted: »Nein, ist sie doch gar nicht!«
Andere Werbespots verkaufen ihre Produkte mit dem Versprechen, dass sie die Extraversion stärken: Im Jahre 2000 empfahl die Eisenbahngesellschaft Amtrak den Reisenden: »FAHREN SIE IHREN HEMMUNGEN DAVON!« Nike hat sich nicht zuletzt wegen des geschickten Werbeslogans »JUST DO IT« einen hohen Marktanteil erobert. Und im Jahr 2000 wurde das Antidepressivum Paxil in einer Kampagne, die mit Persönlichkeitsveränderungen nach Aschenbrödel-Manier warb, als Heilmittel für extreme Schüchternheit – die sogenannte »soziale Angststörung« – angepriesen. 5 Auf einer Paxil-Werbung war ein gut gekleideter leitender Angestellter zu sehen, der einen Geschäftsabschluss mit Handschlag besiegelte. Der Werbetext dazu lautete: »Ich kann Erfolg schmecken«. Daneben war gezeigt, was ohne das Medikament geschehen würde: Ein Geschäftsmann, der allein im Büro saß, die Stirn verzweifelt auf die geballte Faust gestützt. Darunter stand: »Hätte ich doch öfter mitgemacht!«
Doch selbst an der Harvard Business School mehren sich die Anzeichen, dass an einem Führungsstil, der auf schnelle und selbstbewusste Antworten statt auf ruhige und durchdachte Entscheidungen setzt, etwas falsch sein könnte.
Jeden Herbst nehmen die Erstsemester an einem ausgefeilten Rollenspiel unter dem Motto »Überleben in der Subpolarregion« teil. Die Vorgabe lautet: »Es ist der 5. Oktober gegen 14.30 Uhr, und Sie sind soeben mit dem Wasserflugzeug am Ufer des Laura Lake unterhalb des Polarkreises an der Grenze zwischen Quebec und Neufundland notgelandet.« Anschließend werden die Studenten in Kleingruppen aufgeteilt. Sie sollen sich vorstellen, dass sie 15 Gegenstände aus dem Flugzeug gerettet haben – einen Kompass, einen Schlafsack, eine Axt und so weiter. Diese sollen sie nun in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit für das Überleben der Gruppe einordnen. Zuerst stellt jeder Student für sich allein eine Liste auf, und anschließend geht das ganze Team gemeinsam an die Aufgabe. Als Nächstes vergleichen sie ihre Ergebnisse mit dem eines Experten, um zu sehen, wie gut sie abgeschnitten haben. Und schließlich schauen sie sich ein Video von ihrer Gruppendiskussion an, um beurteilen zu können, was gut gelaufen ist – und was falsch.
Der Zweck der Übung besteht darin, Gruppensynergie zu lehren. Erfolgreiche Synergie bedeutet, dass das Team besser abschneidet als die einzelnen Teilnehmer. Die Gruppe ist hingegen gescheitert, wenn einer der Teilnehmer besser abschneidet als das Gesamtteam. Zum Scheitern kann es genau dann kommen, wenn die Studenten Selbstbehauptung zu hoch bewerten.
Ein Kommilitone von Don hatte das Glück, in einer Gruppe zu sein, in der ein junger Mann über ausgiebige Erfahrungen mit den abgelegenen Regionen des Nordens verfügte. Er hatte viele gute Ideen, wie man die 15 geretteten Gegenstände nach ihrer Wichtigkeit einordnen sollte. Nur hörte die Gruppe nicht auf ihn, weil er seine Ansichten nicht mit genug Nachdruck vertrat.
»Unser Aktionsplan basierte auf den Vorschlägen der redefreudigsten Leute«, erinnert sich ein Student. »Wenn weniger lautstarke Teilnehmer eine Idee vortrugen, wurde diese abgeschmettert. Diese so rasch verworfenen Ideen hätten uns am Leben erhalten und vor Schwierigkeiten bewahrt, aber sie wurden abgelehnt, weil die lautstärkeren Studenten ihre Meinung mit so viel Überzeugung vortrugen. Später sahen wir uns das Video an, und es war höchst peinlich.«
Dieses Rollenspiel klingt vielleicht nach einer harmlosen Angelegenheit, die man sich im Elfenbeinturm ausgedacht hat –, aber wenn Sie an Konferenzen denken, an denen Sie teilgenommen haben, können Sie sich vermutlich an eine oder sogar viele Gelegenheiten erinnern, bei denen sich die Ansicht der dynamischsten oder redefreudigsten Person durchsetzte, und das zum allgemeinen Schaden. Vielleicht ging es nicht um viel, vielleicht sollte bei einem Elternabend nur beschlossen werden, ob man sich an einem Montag- oder einem Dienstagabend treffen wollte.
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