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Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
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einflussreichen Organs im Gehirn, das, wie schon Kagan herausfand, eine wichtige Rolle bei der Herausbildung der introvertierten und extravertierten Persönlichkeit spielt.
    Carl Schwartz ist Kagans Kollege und Schützling. Seine Arbeit beginnt dort, wo Kagans Langzeitstudien zum Thema Persönlichkeit aufgehört haben. Die Säuglinge, die Kagan vor Jahren in die Kategorien hoch und gering reaktiv – schüchtern oder forsch – eingeteilt hatte, sind mittlerweile erwachsen, und Schwartz gewinnt mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie einen Einblick in ihr Gehirn. Kagan begleitete seine Probanden vom Kleinkindalter bis in die Jugend; Schwartz wollte herausfinden, wie es danach mit ihnen weiterging. Würden die Spuren des angeborenen Temperaments viele Jahre später in den erwachsenen Gehirnen von Kagans hoch oder gering reaktiven Säuglingen noch nachweisbar sein oder hatte sie irgendeine Kombination aus Umwelteinflüssen und bewusster Anstrengung ausgelöscht?
    Interessanterweise riet Kagan Schwartz von einer solchen Studie ab. Auf dem hart umkämpften Feld der Wissenschaft darf man keine Zeit für Forschung verschwenden, die keine signifikanten Resultate verspricht. Und Kagan befürchtete, dass die Resultate negativ ausfallen würden – dass das Band zwischen Temperament und Schicksal mit Erreichen des Erwachsenenalters zerrissen sein würde.
    »Er meinte es gut mit mir«, sagt Schwartz. »Es war ein interessantes Paradox, denn Jerry hatte die ersten Beobachtungen an Kleinkindern gemacht und festgestellt, dass nicht nur ihr Sozialverhalten extrem verschieden war – diese Kinder waren in jeder Hinsicht verschieden: Ihre Augen waren weiter geöffnet, wenn sie Probleme lösten, ihre Stimmbänder verspannter, wenn sie sprachen, selbst ihre Herzfrequenz wies ein spezielles Muster auf. Diese Indikatoren ließen vermuten, dass es bei diesen Kindern physiologische Unterschiede gab. Dennoch glaubte er wohl aufgrund seiner wissenschaftlichen Ausbildung, dass die Umweltfaktoren so komplex seien, dass es äußerst schwierig sein würde, die Spuren des Temperaments im späteren Leben zu verfolgen.«
    Aber Schwartz, der sich selbst als hoch reaktiv einschätzt und sich teilweise auf seine eigene Erfahrung stützte, hatte den Verdacht, dass er diese Spuren auch noch später im Leben von Menschen finden würde, als es Kagan gelungen war.
    Er demonstriert mir seine Forschung, indem er mich wie eine Versuchsperson behandelt – allerdings ohne Magnetresonanztomografie. Ich sitze an einem Schreibtisch, während auf einem Computermonitor nacheinander Fotos erscheinen. Jedes zeigt ein unbekanntes Gesicht: einen Kopf in Schwarzweiß, der vor einem schwarzen Hintergrund schwebt. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Puls beschleunigt, während die Fotos immer schneller vor mir auftauchen. Ich bemerke auch, dass Schwartz bei einigen Durchgängen Fehler unterlaufen und ich mich entspannter fühle, als die Gesichter anfangen, mir bekannt vorzukommen. Als ich Schwartz meine Reaktionen schildere, nickt er. Die Fotoschau, sagt er, soll das Erleben hoch reaktiver Menschen simulieren, wenn sie einen Raum voller fremder Menschen betreten und denken: »Lieber Himmel, wer sind bloß all diese Leute?«
    Ich frage mich, ob ich mir meine Reaktionen nur einbilde oder sie übertreibe, doch Schwartz erklärt mir, dass er gerade die ersten Datensätze von einer Gruppe hoch reaktiver Probanden zurückerhalten hat, die Kagan vom zweiten Lebensjahr an untersucht hat, und tatsächlich hatte der Mandelkern bei diesen inzwischen erwachsenen Versuchspersonen sensibler auf die unbekannten Gesichter reagiert als bei der Vergleichsgruppe mit den damals forschen Kleinkindern. Beide Gruppen reagierten auf die Bilder, aber die ehemals scheuen Kinder reagierten stärker. Mit anderen Worten: Die Spur des hoch oder gering reaktiven Temperaments verschwand im Erwachsenenalter nicht. Einige hoch reaktive Kinder entwickelten sich zwar zu kontaktfreudigen Teenagern, die sich äußerlich durch Neues nicht aus der Fassung bringen ließen, aber sie schüttelten ihr genetisches Erbe nie ab.
    Schwartz’ Forschung zeigt etwas Wichtiges auf: Unsere Persönlichkeit ist dehnbar, aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Unser angeborenes Temperament beeinflusst uns, unabhängig vom Leben, das wir führen. Ein beträchtlicher Teil unserer Identität ist durch unsere Gene, unser Gehirn und unser Nervensystem festgeschrieben.
    Und doch belegt die Elastizität, die

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