Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00B5B7E02 EBOK

B00B5B7E02 EBOK

Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
Vom Netzwerk:
oder dem Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff.
    Eysenck glaubte auch, dass die Grundlage für diese Unterschiede in einem bestimmten Teil des Gehirns zu suchen sei: dem sogenannten aufsteigenden retikulären Aktivierungssystem (ARAS). Das ARAS ist Teil des Hirnstamms und hat Verbindungen zur Großhirnrinde und anderen Hirnteilen. Das Gehirn besitzt Erregungsmechanismen, die dafür sorgen, dass wir uns wach, aufmerksam und energiegeladen fühlen – »erregt« im Jargon der Psychologen. Es verfügt auch über Beruhigungsmechanismen, die das Gegenteil bewirken. Eysenck vermutete, dass das ARAS die Balance zwischen Über- und Untererregung steuert, indem es das Maß an sensorischer Stimulation kontrolliert, die an das Gehirn weitergeleitet wird. Manchmal sind die Kanäle weit geöffnet, sodass viel Stimulation hereinfließt, und manchmal sind sie verengt, sodass das Gehirn weniger stimuliert wird.
    Eysenck nahm an, dass das ARAS bei Introvertierten und Extravertierten unterschiedlich funktionierte: Introvertierte hatten seiner Vermutung nach weit geöffnete Informationskanäle, was bei ihnen zu Reizüberflutung und Übererregung führte, während Extravertierte aufgrund ihrer engeren Kanäle eher für Untererregung anfällig waren. Reizüberflutung produziert nicht Angst, sondern vielmehr das Gefühl, nicht klar denken zu können  – man hat genug und möchte gehen. Bei Untererregung hat man ein Gefühl, als würde einem die Decke auf den Kopf fallen. Es ist nicht genug los; man fühlt sich irritiert, unruhig, lustlos und möchte dringend einen Tapetenwechsel.
    Heute wissen wir, dass die Realität weitaus komplexer ist. Zum einen stellt das ARAS die Stimulation nicht an oder aus und überflutet nicht beim Anstellen das gesamte Gehirn so, als würde man den Wasserschlauch eines Feuerwehrautos aufdrehen. Vielmehr werden einige Hirnteile zu verschiedenen Zeiten stärker erregt als andere. Außerdem stehen hohe Erregungsgrade im Gehirn nicht immer im Zusammenhang damit, wie erregt wir uns fühlen . Und es gibt viele verschiedene Arten der Erregung. Erregung durch laute Musik ist nicht dasselbe wie Erregung infolge explodierender Granaten oder bei der Leitung einer Konferenz. Man kann auf eine Form der Erregung sensibler als auf eine andere reagieren. Es ist auch zu simpel zu sagen, dass wir immer einen moderaten Erregungsgrad anstreben: Begeisterte Fans wünschen sich bei einem Fußballspiel eine möglichst hohe Stimulation, während Menschen, die eine Erholungskur machen, möglichst wenig Reize wollen.
    Eysencks Theorie, dass das kortikale Erregungsniveau einen wichtigen Schlüssel zum Wesen der Introversion und Extraversion liefert, wurde dennoch weltweit in über tausend Experimenten überprüft, und sie scheint in vielen wichtigen Punkten »halb richtig« zu sein, wie es der Persönlichkeitspsychologe David Funder formuliert. Was auch immer die zugrunde liegende Ursache sein mag, es gibt eine Reihe von Belegen, dass Introvertierte sensibler als Extravertierte auf verschiedene Arten von Reizen reagieren, von Kaffee über einen lauten Knall bis hin zum Stimmengewirr bei einer Veranstaltung mit vielen Menschen – und dass Introvertierte und Extravertierte oft sehr verschiedene Grade der Stimulation brauchen, um in Höchstform zu kommen.
    In einem bekannten Experiment aus dem Jahre 1967, das immer noch gern in Psychologiekursen vorgeführt wird, träufelte Eysenck Zitronensaft auf die Zunge von erwachsenen Introvertierten und Extravertierten, um herauszufinden, bei welcher Gruppe mehr Speichelfluss entstand. Tatsächlich hatten die Introvertierten, die durch Sinnesreize stärker stimuliert werden, den wässrigeren Mund. 6
    In einem anderen berühmten Experiment gab man Introvertierten und Extravertierten eine schwierige Abfolge von Wörtern und bat sie, durch Ausprobieren das zugrunde liegende Prinzip herauszufinden. Während des Experiments trugen die Versuchspersonen Kopfhörer, aus denen zufällige Geräusche kamen. Sie wurden gebeten, die Lautstärke so einzustellen, dass sie »genau richtig« war. Die Extravertierten wählten durchschnittlich einen Geräuschpegel von 72 Dezibel, während die Introvertierten sich für nur 55 Dezibel entschieden. Bei der von ihnen gewählten Lautstärke – laut bei den Extravertierten und leise bei den Introvertierten – waren beide Persönlichkeitstypen ungefähr gleich erregt (wie man an der Herzfrequenz und anderen Indikatoren feststellte). Sie schnitten auch gleich gut bei der

Weitere Kostenlose Bücher