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Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
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gehört hatte, dass die amerikanische Regierung vorhatte, der schwächelnden Autoindustrie mit einer Bürgschaft unter die Arme zu greifen. Er hielt das für eine bombensichere Investition.
    Nachdem er die Aktien gekauft hatte, ließen die Medien verlauten, dass das Rettungspaket vielleicht doch nicht kommen würde. GM-Aktien wurden reihenweise abgestoßen, und der Aktienpreis fiel. Aber Alan witterte jetzt das ganz große Geschäft. Es fühlte sich für ihn so überzeugend an, dass er meinte, es geradezu mit den Händen greifen zu können. Er hielt die Aktien. Der Kurs brach wieder ein, und dann noch ein weiteres Mal. Er fiel immer weiter, bis Alan sich schließlich entschied, mit großem Verlust zu verkaufen.
    Es sollte noch schlimmer kommen. Als in den nächsten Nachrichten zu hören war, dass die Bürgschaft doch noch bewilligt würde, war Alan wieder Feuer und Flamme und investierte weitere 100 000 Dollar, für die er mehr Anteile zu einem geringeren Preis erwarb. Aber wieder passierte dasselbe: Die Bürgschaft entpuppte sich als ungewiss.
    Alan »dachte« – das Wort steht in Anführungsstrichen, weil nach Dorn bewusstes logisches Denken mit Alans Verhalten wenig zu tun hatte –, dass der Aktienpreis nun nicht viel tiefer sinken könne. Wieder hielt er die Aktien und wärmte sich an dem Gedanken, wie viel Spaß er und seine Frau daran haben würden, all das Geld auszugeben, das er verdienen würde. Und wieder sank der Kurs. Als er schließlich bei sieben Dollar pro Anteil lag, verkaufte Alan – und kaufte in einer Art Rausch noch einmal Aktien, als er hörte, dass die Bürgschaft doch noch kommen könnte …
    Als der Aktienkurs von GM schließlich bei zwei Dollar pro Aktie lag, hatte Alan 700 000 Dollar oder 70 Prozent seiner Altersrücklagen verloren. Er war am Boden zerstört. Er fragte Dorn, ob sie ihm helfen könne, seine Verluste wieder wettzumachen. Sie konnte es nicht. »Das Geld ist weg«, sagte sie. »Sie werden den Verlust nie mehr aufholen können.«
    Er fragte, was er falsch gemacht habe.
    Dorn konnte eine Menge dazu sagen. Als Laie hätte Alan überhaupt nicht spekulieren dürfen. Überdies hatte er viel zu viel Geld riskiert: Er hätte seine Spekulation auf 5 Prozent seines Eigenkapitals, also 50 000 Dollar, begrenzen sollen. Aber das größte Problem entzog sich vielleicht Alans Kontrolle: Wie Dorn glaubte, litt er an einem Übermaß dessen, was Wissenschaftler Belohnungssensitivität nennen. Ein belohnungssensitiver Mensch ist hoch motiviert von der Aussicht auf eine Belohnung – von einer Beförderung über einen Lotto-Jackpot bis zu einem angenehmen Abend mit Freunden. Belohnungssensitivität motiviert uns, Ziele wie Sex und Geld, sozialen Status und Einfluss zu verfolgen. Sie veranlasst uns, auf eine Leiter zu steigen und nach den am weitesten entfernten Ästen zu greifen, um die köstlichsten Früchte des Lebens zu ergattern.
    Aber manchmal sind wir zu belohnungssensitiv. Ein Übermaß an Belohnungssensitivität beschert Menschen alle möglichen Schwierigkeiten. Die Aussicht auf eine große Belohnung, etwa einen fetten Gewinn am Aktienmarkt, kann uns so in Begeisterung versetzen, dass wir alle blinkenden Warnzeichen ignorieren.
    Alan erhielt viele solcher Zeichen, aber er war von der Aussicht, den ganz großen Gewinn zu machen, so geblendet, dass er sie nicht sehen konnte. »Das Verhalten von jemandem, der auf diese Weise spekuliert«, sagt Dorn, »ist ein Verhalten des Nichtdenkens.« Alan verfiel in das klassische Muster des Amoklaufs der Belohnungssensitivität: Genau dann, wenn die Warnsignale darauf hindeuteten, dass er das Tempo drosseln sollte, gab er Gas  – und pumpte Geld, das er gar nicht hätte ausgeben dürfen, in spekulative Geschäfte.
    Die Geschichte der Finanzwelt strotzt von solchen Beispielen  – von Akteuren, die Gas geben, wenn sie bremsen sollten. Verhaltensökonomen beobachten seit Langem, dass sich Manager beim Kauf von Firmen so darin verbeißen können, ihre Mitbieter zu schlagen, dass sie die Signale übersehen, die ihnen deutlich zeigen, dass sie zu viel bezahlen. Das passiert so häufig, dass es einen Namen hat: »Deal-Fieber«, gefolgt vom »Fluch des Gewinners«. Die Firmenfusion von AOL und Time Warner, die über Nacht 200 Milliarden US-Dollar des Unternehmenswerts von Time Warner ausradierte, ist ein klassisches Beispiel dafür. Es gab reihenweise Warnungen, dass die Aktien von AOL, die als Zahlungsmittel für die Fusion dienten, weit

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