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überbewertet waren, doch der Vorstand von Time Warner billigte das Geschäft einstimmig.
»Ich war mit derselben oder sogar noch größerer Aufregung und Begeisterung bei der Sache als bei meinem ersten Sex vor 42 Jahren«, rief Ted Turner aus, einer der Vorstandsmitglieder und größter Einzelaktionär des Konzerns. »TED TURNER: ES IST BESSER ALS SEX«, titelte die New York Post einen Tag, nachdem der Abschluss zustande gekommen war – eine Schlagzeile, auf die wir noch einmal zurückkommen werden, weil sie so gut erklärt, warum kluge Leute manchmal zu belohnungssensitiv sein können.
Sie fragen sich vielleicht, was das alles mit Introversion und Extraversion zu tun hat. Sind wir nicht alle manchmal unbesonnen?
Die Antwort lautet: Ja, doch einige Menschen neigen mehr dazu als andere. Janice Dorn hat beobachtet, dass ihre extravertierten Kunden zu hoher Belohnungssensitivität neigen, während die Introvertierten eher auf Warnsignale achten. Sie haben ihre Wünsche oder ihre Begeisterung erfolgreicher unter Kontrolle als Extravertierte und schützen sich damit besser vor Abwärtstrends. »Meine introvertierten Spekulanten sind sehr viel besser in der Lage zu sagen: ›Okay, Janice, ich merke, wie es mich packt, aber ich weiß, dass ich nicht danach handeln darf.‹ Den Introvertierten gelingt es viel eher, einen Plan zu machen und sich daran zu halten, weil sie sehr diszipliniert sind.«
Um zu verstehen, warum Introvertierte und Extravertierte verschieden auf die Aussicht einer Belohnung reagieren können, muss man Dorn zufolge ein bisschen über den Aufbau des Gehirns wissen. Wie in Kapitel 4 deutlich wurde, ist unser limbisches System, 2 das wir mit den primitivsten Säugetieren teilen und das von Dorn das »alte Gehirn« genannt wird, emotional und instinktiv. Es umfasst verschiedene Elemente, darunter den Mandelkern, und ist eng mit dem Nucleus accumbens gekoppelt, der manchmal auch das »Lustzentrum« des Gehirns genannt wird. Wir haben uns mit der ängstlichen Seite des alten Gehirns beschäftigt, als wir die Rolle untersuchten, die der Mandelkern bei hoher Reaktivität und Introversion spielt. Jetzt werden wir uns seine gierige Seite anschauen.
Dorn zufolge gibt uns das alte Gehirn ständig die Botschaft: »Ja, ja, ja! Iss mehr, trink mehr, hab mehr Sex, geh viele Risiken ein, hol dir alle Lust, die du bekommen kannst, und vor allem, denk nicht nach !« Jener Teil des alten Gehirns, der nach Belohnung strebt und Lust liebt, ist es, der nach Dorns Überzeugung Alan dazu brachte, seine Ersparnisse wie Chips im Casino zu verspielen.
Wir haben auch ein »neues Gehirn«, den sogenannten Neokortex , der sich viele tausend Jahre nach dem limbischen System entwickelt hat. Das neue Gehirn ist verantwortlich für Denken, Planen, Sprache und Entscheidungsfindung – einige ebenjener Fähigkeiten, die uns als Menschen ausweisen. Das neue Gehirn ist der Sitz der Rationalität, obwohl es auch eine wichtige Rolle in unserem emotionalen Leben spielt. Seine Aufgabe beinhaltet nach Dorn, uns die Botschaft zu geben: »Nein, nein, nein! Mach das nicht, denn das ist gefährlich, unsinnig und nicht zu deinem Besten, dem deiner Familie oder der Gesellschaft.«
Wo also war Alans Neokortex, als er unsicheren Gewinnen an der Börse hinterherjagte?
Das alte und neue Gehirn arbeiten zusammen, aber nicht immer effektiv. Manchmal geraten sie auch in Konflikt miteinander, und dann sind unsere Entscheidungen ein Resultat desjenigen Teils, der gerade die stärkeren Signale aussendet. Als Alans altes Gehirn seinem neuen Gehirn atemlos seine Botschaften übermittelte, reagierte dies vermutlich so, wie der Neokortex reagieren sollte: Er empfahl dem alten Gehirn, sein Tempo zu drosseln. Er sagte: Pass auf! Und er verlor das anschließende Tauziehen.
Selbstverständlich haben wir alle ein altes Gehirn. Aber so wie der Mandelkern eines hoch reaktiven Menschen sensibler als jener des Durchschnittsmenschen auf Neues reagiert, so scheinen Extravertierte empfänglicher als Introvertierte für die Belohnungswünsche des alten Gehirns zu sein. Tatsächlich befassen sich einige Wissenschaftler heute mit dem Gedanken, dass Belohnungssensitivität nicht nur ein interessantes Merkmal der Extraversion ist, sondern dass sie möglicherweise der Faktor schlechthin ist, der Extravertierte zu Extravertierten macht. 3 Extravertierte wären demnach durch ihre Tendenz charakterisiert, nach Belohnung zu streben, angefangen vom Chefstatus über
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