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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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wie Alain Robbe-Grillet, die in den sechziger und siebziger Jahren populär waren. In ihnen wurde immer wieder das gleiche Kapitel geschrieben und überarbeitet, und der Schriftsteller veränderte jedes Mal die Handlung, so als handle es sich um einen neuen Sample Path. Auf irgendeine Weise wurde der Autor von der früheren Situation befreit, die er selbst mit erschaffen hatte, und erlaubte sich den Luxus, die Handlung rückwirkend zu verändern.

Verunglimpfung der Geschichte
    Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Geschichte aus einer Monte-Carlo-Perspektive hinzufügen: Die Weisheit klassischer Geschichten, wie jene über Solon, spornt mich dazu an, noch mehr Zeit in Gesellschaft der antiken Historiker zu verbringen, selbst wenn ihre Geschichten, wie die Warnung des Solon, durch die Patina der Zeit ausgeschmückt wurden. So etwas geht uns gegen den Strich: Für uns Menschen ist es keineswegs natürlich, aus der Geschichte zu lernen – das zeigen die endlos wiederholten, identischen Mustern folgenden Höhenflüge und Zusammenbrüche auf den modernen Finanzmärkten ganz deutlich. Unter Geschichte verstehe ich hier historische Anekdoten, nicht geschichtliches Theoretisieren beziehungsweise groß angelegten Historizismus, dessen Ziel darin besteht, Ereignisse anhand von Theorien zu erläutern, die einige Gesetze in der geschichtlichen Evolution zeigen sollen – jenen hegelianischen, pseudowissenschaftlichen Historizismus, der zu Hypothesen wie dem »Ende der Geschichte« führt (pseudowissenschaftlich ist er, weil er Theorien aus vergangenen Geschehnissen ableitet, ohne zu berücksichtigen, dass solche Ereigniskombinationen zufällig entstanden sein könnten, vor allem aber, weil es keine Möglichkeit gibt, die vorgebrachten Behauptungen in einem kontrollierten Experiment zu verifizieren). Geschichte ist für mich lediglich auf der Ebene der von mir gewünschten Sensibilität von Nutzen. Sie beeinflusst mein Denken, indem ich Bezug auf vergangene Ereignisse nehme und Ideen anderer besser übernehmen und optimieren kann. Dadurch kann ich die Denkfehler korrigieren, die meiner Fähigkeit, von anderen zu lernen, im Wege zu stehen scheinen. Den Respekt gegenüber den Älteren möchte ich damit fördern, indem ich die Ehrerbietung betone, die ich Menschen mit grauem Haar instinktiv entgegenbringe, obwohl ich das in meinem Leben als Börsenhändler vermisse, wo Alter und Erfolg nicht miteinander korrelieren. Faktisch lerne ich auf zweierlei Weise aus der Geschichte: aus der Vergangenheit durch die Lektüre alter Texte, aber auch aus der Zukunft – mit Hilfe meines Monte-Carlo-Spielzeugs.

Die Herdplatte ist heiß
    Wie oben erwähnt, ist es für uns nicht natürlich, aus der Geschichte zu lernen. Wir haben genügend Anhaltspunkte für die Schlussfolgerung, dass unsere Ausstattung als menschliche Wesen eine Übertragung von Erfahrungen nicht kulturell, sondern durch Auswahl von Gattungsvertretern mit einigen vorteilhaften Zügen begünstigt. Es ist eine Binsenweisheit, dass Kinder nur aus ihren eigenen Fehlern lernen; sie werden eine heiße Herdplatte erst dann nicht mehr anfassen, wenn sie sich selbst die Finger daran verbrannt haben, und keine Warnung anderer kann sie dazu bewegen, auch nur ein Mindestmaß an Vorsicht walten zu lassen. Aber auch Erwachsene leiden unter diesem Zustand. Dieser Aspekt wurde von den Pionieren in der Verhaltensökonomie, Daniel Kahneman und Amos Tversky, hinsichtlich der Wahl riskanter medizinischer Behandlungen untersucht. Ich habe Ähnliches bei mir selbst festgestellt, denn ich bin sehr nachlässig im Bereich Diagnose und Prävention (ich weigere mich nämlich, meine Risiken aus Wahrscheinlichkeiten abzuleiten, die andere errechnet haben, weil ich mir einbilde, irgendwie etwas Besonderes zu sein), aber zugleich sehr aggressiv in der Behandlung medizinischer Zustände (bei Brandverletzungen neige ich zu Überreaktionen). Das zeugt nicht gerade von rationalem Verhalten unter einem von Ungewissheit geprägten Umfeld. Die angeborene Missachtung der Erfahrungen anderer beschränkt sich nicht auf Kinder oder Menschen wie mich; auf übergeordneter Ebene ist sie auch bei Entscheidungsträgern in der Wirtschaft oder Investoren zu beobachten.
    Wenn Sie meinen, die reine Lektüre von Geschichtsbüchern würde Sie vor »Fehlern anderer« bewahren, halten Sie sich bitte das folgende Experiment aus dem 19. Jahrhundert vor Augen. In einem weithin bekannten psychologischen Fall behandelte der

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