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Ich habe auch das Privileg, oft von meinem gut ausgestatteten Dachboden aus »arbeiten« zu können.
Die Computerrevolution macht sich für uns nicht in Form von sich selbst perpetuierenden E-Mails oder im Zugang zu Chatrooms bezahlt, sondern durch die plötzliche Verfügbarkeit schneller Prozessoren, die eine Million Zufallspfade pro Minute generieren können. Denken Sie daran, dass ich selbst ein bestenfalls wenig enthusiastischer Gleichungslöser bin und mich nur selten durch besonderes Geschick in dieser Tätigkeit auszeichne – ich war stets besser im Aufstellen als im Lösen von Gleichungen. Plötzlich erlaubte mir mein Generator, die verzwicktesten Gleichungen mit minimalem Aufwand zu lösen. Nur wenige Lösungen lagen außerhalb meiner Reichweite.
Ein Dachboden voller Zorglubs
Mein Monte-Carlo-Generator bescherte mir einige interessante Abenteuer. Während meine Kollegen in Nachrichtenmeldungen, Zentralbankankündigungen, Gewinnvorstellungen, konjunkturelle Prognosen, Sportergebnisse und nicht zuletzt büropolitische Intrigen eintauchten, begann ich mit dem Generator in Gebieten zu spielen, die an meine Heimatbasis in der finanziellen Wahrscheinlichkeitstheorie angrenzten. Eine ganz natürliche Erweiterung für den Amateur ist die Evolutionsbiologie – ihre allgemeingültige Botschaft und universelle Anwendbarkeit ist höchst verlockend. Ich begann Populationen rasch mutierender Tierchen namens Zorglubs unter klimatischen Veränderungen zu simulieren und wurde so Zeuge von höchst unerwarteten Folgen – einige der Ergebnisse fanden Eingang in Kapitel 5. Mein Ziel als reiner Amateur, der nur der Langeweile des Geschäftslebens entfliehen wollte, bestand lediglich darin, ein intuitives Gespür für solche Ereignisreihen zu entwickeln – die Art von Erkenntnissen, die Amateure weit entfernt von der übermäßig detaillierten Raffinesse professioneller Forscher gewinnen. Ich spielte mit der Molekularbiologie herum, generierte zufällig auftretende Krebszellen und beobachtete in ihrer Entwicklung einige überraschende Aspekte. Logischerweise war die Entsprechung zur Erfindung von Zorglub-Populationen die Simulation einer Gruppe von »idiotischen Bullen«, »hitzigen Bären« und »vorsichtigen« Börsenhändlern in unterschiedlichen Marktumfeldern wie Hausse oder Baisse sowie die Untersuchung ihrer kurz- und langfristigen Überlebenschancen. In einer solchen Struktur würden »idiotische Bullen«, die durch eine Rallye zu Reichtum kamen, ihre Erlöse in den Kauf weiterer Wertpapiere stecken und die Kurse weiter in die Höhe treiben, bis sie eines Tages zwangsläufig Prügel bezogen. Baissisten beziehungsweise »Bären« überlebten in einem Kursaufschwung allerdings nur selten lange genug, um sich über fallende Kurse freuen zu können. Meine Modelle zeigten, dass unter dem Strich fast niemand überlebte: Die Bären fielen während einer Hausse wie die Fliegen um, und die Bullen wurden letztendlich geschlachtet, wenn mit dem Ende der Aufwärtsbewegung auch ihre Papiergewinne verschwanden. Aber es gab eine Ausnahme: Einige Optionshändler (ich bezeichnete sie als Optionskäufer) bewiesen bemerkenswertes Standvermögen, und zu dieser Kategorie wollte auch ich gehören. Wie gelang ihnen das Überleben? Sie konnten eine Versicherung gegen einen »Blow-up« kaufen und nachts ruhiger schlafen in der Gewissheit, dass ihre Karriere nicht vom Ergebnis eines einzigen Tages bedroht wurde.
Wenn der Tenor dieses Buches von der Kultur des Darwinismus und der Evolutionstheorie durchdrungen zu sein scheint, so ist dies nicht auf eine irgendwie geartete naturwissenschaftliche Ausbildung zurückzuführen, sondern auf das evolutionäre Denken, das mir meine Monte-Carlo-Simulationen beibrachten.
Ich schätze, dass ich über den Wunsch hinausgewachsen bin, bei jedem neuen Gedanken Zufallspfade zu generieren, doch durch mein jahrelanges Spiel mit Monte-Carlo-Simulatoren kann ich mir ein realisiertes Ergebnis nicht mehr ohne Bezug auf die nicht verwirklichten Pfade vorstellen. Ich bezeichne das als die »Untersummierung von Historien«, in Anlehnung an einen Ausdruck, den der vielseitig interessierte Physiker Richard Feynman prägte, der solche Methoden zur Erklärung der Dynamik subatomarer Teilchen anwandte.
Als ich mit meinem Monte-Carlo-Generator immer wieder neue Historien erzeugte und auslöschte, erinnerte mich das an die experimentellen Romane (die in die Kategorie des so genannten nouveau roman fielen) von Autoren
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