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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Schweizer Arzt Claparède eine Amnesiepatientin, deren Leiden sie völlig lebensunfähig machte. Ihr Zustand war so schlimm, dass sie sich nur an ihn erinnern konnte, wenn er sich ihr alle Viertelstunde einmal neu vorstellte. Eines Tages nahm er insgeheim eine Stecknadel in die Hand, bevor er ihre schüttelte. Am nächsten Tag zog sie ihre Hand rasch zurück, als er sie zu begrüßen versuchte, erkannte ihn dennoch nicht. Inzwischen gibt es ausführliche Fallbeschreibungen von Amnesiepatienten, die unbewusst bestimmte Dinge lernen, ohne sie in ihrem bewussten Gedächtnis abzuspeichern. Die wissenschaftliche Bezeichnung für die Unterscheidung zwischen dem bewussten und unbewussten Gedächtnis ist »deklarativ« und »nicht-deklarativ«. Ein Großteil der erfahrungsbasierten Risikovermeidung ist Teil dieses zweiten Gedächtnisses. Respekt für die Geschichte konnte ich nur aufbringen, als ich mir vor Augen hielt, dass ich nicht darauf programmiert war, im Lehrbuchformat daraus zu lernen.
    Faktisch kann es noch schlimmer kommen: In gewisser Hinsicht lernen wir nicht aus unserer eigenen Geschichte. Einige Forschungszweige haben unsere Unfähigkeit untersucht, aus unseren eigenen Reaktionen auf frühere Erlebnisse zu lernen: Beispielsweise lernen Menschen nicht, dass ihre emotionalen Reaktionen auf (positive oder negative) frühere Ereignisse kurzlebig waren – sie halten ständig an der irrigen Annahme fest, dass der Kauf eines Gegenstandes sie lange – möglicherweise für immer – glücklich machen wird oder ein Rückschlag schweres und lange anhaltendes Leid hervorrufen wird (obwohl sie in der Vergangenheit ähnliche Rückschläge nicht lange beeinträchtigten und die Freude an der neuen Anschaffung bald vorbei war).
    Alle meine Kollegen, von denen ich weiß, dass sie die Lehren der Geschichte in den Wind schlugen, erlebten spektakuläre »Blow-ups« – ich habe noch keinen kennen gelernt, dem ein solches Fiasko nicht passiert ist. Der eigentlich interessante Aspekt sind aber die bemerkenswerten Ähnlichkeiten in ihren Ansätzen. Ein Blow-up, das sei hier nochmals betont, unterscheidet sich von einem monetären Verlust; bei einem Blow-up verliert man Geld, wenn man dies gar nicht für möglich hält. Wenn man ein Risiko eingeht und einen Verlust macht, ist das nicht verkehrt, sofern man unterstreicht, dass man tatsächlich Risiken eingeht, anstatt die übernommenen Risiken als gering oder nicht existent zu bezeichnen. Börsenhändler, die einen Blow-up erleben, glauben üblicherweise, sie wüssten genug über die Welt, um die Möglichkeit des Eintretens eines widrigen Ereignisses zurückweisen zu können: Ihr Eingehen solcher Risiken zeugte nicht von Mut, sondern von reiner Ignoranz. Ich erkenne viele Parallelen zwischen jenen, die vom Börsencrash 1987 eiskalt erwischt wurden, jenen, die 1990 bei der Japan-Krise ihr Vermögen in den Sand setzten, jenen, die im Rentenmarktdebakel von 1994 untergingen, jenen, die in der Russlandkrise von 1998 ihr Waterloo erlebten, und jenen, die sich im Jahr 2000 an Technologieaktien die Finger verbrannten. Sie alle behaupteten mehr oder weniger, dass die Zeiten oder ihr Markt anders seien und boten ähnliche, gut konstruierte intellektuelle Argumente (wirtschaftlicher Natur), um ihre Behauptungen zu rechtfertigen; keiner von ihnen war in der Lage, die Erfahrungen anderer zu akzeptieren, die offen und frei zur Verfügung standen. Schließlich gibt es ja in jedem Buchladen Bücher, die sich detailliert mit Börsencrashs beschäftigen. Neben generellen systembezogenen Katastrophen habe ich auch miterlebt, wie Hunderte von Optionshändlern gezwungen waren, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, nachdem sie alle Warnungen der Veteranen in den Wind geschlagen und sich auf törichte Weise die Finger verbrannt hatten – ähnlich wie das Kind, das seine Hand auf die Herdplatte legt. Wie ich festgestellt habe, ähnelt dies meiner eigenen Einstellung zur Diagnose und Prävention der vielen Krankheiten, unter denen ich leiden könnte. Jeder Mensch glaubt, dass für ihn selbst ganz andere Maßstäbe gelten, und deswegen reagieren wir auf eine Diagnose so schockiert mit der Frage: »Warum gerade ich?«

Fähigkeiten zur Prognose vergangener Ereignisse
    Wir können diesen Punkt aus verschiedenen Blickwinkeln sehen. Fachleute nennen eine Manifestation dieser Verunglimpfung der Geschichte historischen Determinismus. Kurz gesagt bedeutet dies, dass wir glauben, erkennen zu können, wenn

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