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Position der Finanztheorie, dass Märkte effizient sein mussten und unmöglich Chancen auf einem Silbertablett servieren könnten. Dennoch präsentierte sich genau der gleiche Robert C. Merton später als »Gründer und Geschäftsführer« eines Hedgefonds, der darauf abzielte, Vorteile aus Marktineffizienzen zu ziehen. Abgesehen von der Tatsache, dass Mertons Hedgefonds infolge des Problems des schwarzen Schwans ein einigermaßen spektakuläres Fiasko (mit charakteristischem Leugnen) erlebte, setzte seine »Gründung« eines solchen Hedgefonds implizit voraus, dass er Shillers Thesen zur Ineffizienz der Märkte zustimmte. Der Verteidiger des Dogmas der modernen Finanzlehre und der effizienten Märkte legte einen Fonds auf, der Ineffizienzen am Markt auszunutzen versuchte! Das ist so, als würde sich der Papst zum Islam bekehren.
Heute hat sich die Situation keineswegs verbessert. Als ich diese Zeilen schrieb, lieferten die Nachrichtenagenturen alle möglichen »Updates« – Sondermeldungen, die elektronisch und drahtlos übertragen werden können. Das Verhältnis zwischen unausgegorenen und destillierten Informationen steigt und führt zur Übersättigung der Märkte. Die Lehren der Altvorderen müssen uns nicht als Blitzmeldungen mitgeteilt werden.
Das soll nicht bedeuten, dass sich alle Journalisten vom Lieferanten zufälligen Lärms täuschen lassen: In der Branche gibt es unzählige Publizisten, die nachzudenken verstehen. Nur beruht der ins Auge stechende Medienjournalismus auf gedankenlosen Prozessen, die durch lautes Lärmen die Aufmerksamkeit des Publikums erregen kann, und es gibt keinen Mechanismus, mit dessen Hilfe man diese beiden Kategorien unterscheiden kann. Faktisch werden intelligente Journalisten oft bestraft. Wie der in Kapitel 11 angesprochene Rechtsanwalt, der sich nicht für die Wahrheit interessierte, sondern nur für Argumente, die Geschworene beeinflussen konnten, mit deren geistigen Defiziten er bestens vertraut war, konzentrieren sich Journalisten auf Meldungen, die auffallen und sich in entsprechend markigen Sprüchen präsentieren lassen. Meine gelehrten Freunde würden sich wieder einmal wundern, warum ich mich so sehr über die offensichtlichen Eigenschaften der Journalisten ereifere. Das Problem in meinem Berufsstand ist aber nun einmal leider, dass wir bei der Informationsbeschaffung von dieser Zunft abhängig sind.
Gerontokratie
Eine Präferenz für destilliertes Denken impliziert, dass man sich auch eher zu alten Investoren und Händlern hingezogen fühlt, also Anlegern, die dem Marktgeschehen am längsten ausgesetzt waren. Dies steht im Gegensatz zur gängigen Praxis an der Wall Street, den profitabelsten und möglichst auch jüngsten Stars den Vorzug zu geben. Ich habe mit Monte-Carlo-Simulationen heterogener Populationen von Börsenhändlern in einer Vielzahl verschiedener Konstellationen herumgespielt (wobei sich die historischen Gegebenheiten stark ähnelten) und einen klaren Vorteil bei der Auswahl älterer Händler festgestellt, indem ich als Auswahlkriterium ihre kumulative Erfahrung in Jahren anstatt ihres absoluten Erfolges verwendete (unter der Maßgabe, dass sie ohne einen »Blow-up« überlebt hatten). Die Vorstellung vom »Überleben des Stärkeren« – eine ungemein abgedroschene Phrase in den Investmentmedien – wird allem Anschein nach nicht richtig verstanden: Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern (wie wir dies in Kapitel 5 sehen werden), ist nicht klar, wer tatsächlich der Stärkste ist. Überleben werden dann nicht notwendigerweise jene, die am stärksten wirken. Seltsamerweise werden die Ältesten überleben, schlicht und einfach, weil ältere Menschen seltenen Ereignissen länger ausgesetzt waren und sich überzeugender dagegen resistent erweisen können. Es war für mich amüsant zu hören, dass in der Partnerwahl ein ähnliches evolutionäres Argument besagt, dass Frauen (im Schnitt) bei sonst gleichen Bedingungen gesunde ältere Männer gesunden jüngeren Männern vorziehen, da die erste Gruppe gewisse Beweise dafür liefert, dass sie mit besseren Genen aufwarten kann. Graue Haare signalisieren eine bessere Überlebensfähigkeit – wenn jemand den Lebensabschnitt erreicht, in dem er ergraut, hat er sich wahrscheinlich den Wechselfällen des Lebens gegenüber als widerstandsfähiger erwiesen. Merkwürdigerweise gelangten Lebensversicherer im Italien der Renaissance zum gleichen Schluss: Sie verlangten von 20-jährigen Männern die gleichen
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