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dass der Hochfrequenzzahnarzt sowohl mehr Stress als auch mehr positiven Gefühlen ausgesetzt ist und sich diese beiden Elemente nicht ausgleichen, sollten Sie berücksichtigen, dass Menschen in weißen Kitteln einige beängstigende Eigenschaften dieser negativen Empfindungen auf das Nervensystem untersucht haben (die übliche, erwartete Folge: Bluthochdruck; die unerwartete Konsequenz: chronischer Stress führt zu Gedächtnisschwund, macht das Gehirn weniger formbar und ruft Hirnschädigungen hervor). Meines Wissens gibt es keine Untersuchungen zu den genauen Eigenschaften des Burn-out-Syndroms bei Börsenhändlern, doch wenn Menschen täglich einem so hohen Maß an Zufall ohne große Kontrollmöglichkeiten ausgesetzt sind, wird dies psychologische Folgen haben (niemand hat die entsprechenden Auswirkungen auf das Krebsrisiko untersucht). Wirtschaftswissenschaftler haben lange nicht verstanden, dass positive und negative »Kicks« sich sowohl in ihrer biologischen Wirkung als auch in ihrer Intensität unterscheiden. Schließlich werden sie von unterschiedlichen Teilen des Gehirns verarbeitet – und bei Entscheidungen nach einem Gewinn schwingt ein ganz anderer Grad der Rationalität mit als nach einem Verlust.
Das bedeutet aber auch, dass Reichtum an sich eine geringere Rolle für unser Wohlbefinden spielt als der Weg, auf dem wir ihn erreichen.
Manche Menschen, die für weise und rational gehalten werden, kritisieren mich, weil ich eventuell wertvolle Informationen in der Tageszeitung »ignoriere« und mich rundheraus weigere, die Details des Lärms zu berücksichtigen, den »kurzfristige Ereignisse« hervorrufen. Einige meiner Chefs haben mir sogar vorgeworfen, auf einem anderen Planeten zu leben.
Mein Problem ist, dass ich nicht rational denken kann und sehr stark dazu neige, in Zufälligkeiten zu ertrinken und mich emotionalen Folterqualen auszusetzen. Ich bin mir bewusst, wie wichtig es für mich ist, auf Parkbänken und in Cafés weit weg von Informationen zu sinnieren, aber ich kann das nur, wenn ich meinen Zugang zu Informationen etwas beschränke. Mein einziger Vorteil im Leben besteht darin, dass ich mir einiger meiner Schwächen bewusst bin. Insbesondere weiß ich, dass ich nicht in der Lage bin, angesichts der Nachrichtenmeldungen meine Emotionen in Zaum zu halten und die Wertentwicklungen meiner Anlagen mit einem kühlen Kopf zu betrachten. Stille ist weitaus besser für mich. Mehr dazu in Teil III.
Kapitel 4
Zufall, Unsinn und wissenschaftliche Intellektuelle
Der Monte-Carlo-Generator wird erweitert, um künstliches Denken zu produzieren, und mit strengen nichtzufälligen Konstrukten verglichen. Die Wissenschaftskriege greifen auf die Wirtschaft über. Warum der Ästhet in mir sich so gerne vom Zufall zum Narren machen lässt.
Der Zufall und das Verb
Unser Monte-Carlo-Generator kann uns auch in literarischere Gefilde führen. Zunehmend wird zwischen wissenschaftlichen und literarischen Intellektuellen unterschieden. Das Ganze gipfelt in den »Wissenschaftskriegen«, in denen Fraktionen eloquenter Nichtwissenschaftler sich gegen gleichermaßen wortgewaltige Wissenschaftler verschwören. Der Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen lässt sich zurückverfolgen auf das Wien der dreißiger Jahre, wo eine Gruppe von Physikern zu dem Schluss kam, die gewaltigen Fortschritte in den Naturwissenschaften seien bedeutend genug, um Ansprüche auf das Feld anzumelden, dass bekanntermaßen von Geisteswissenschaftlern beansprucht wurde. Ihrer Meinung nach konnte literarisches Denken viel wohlklingenden Unsinn verstecken. Sie wollten das Denken und die Rhetorik voneinander trennen (außer in der Literatur und Dichtkunst, wo diese Verbindung ihren angestammten Platz hatte).
Ihr strenges Regime im intellektuellen Leben führten sie ein, indem sie erklärten, dass eine Aussage nur in eine von zwei Kategorien fallen könne: deduktiv, wie »2 + 2 = 4«, also ganz eindeutig das Ergebnis eines präzise definierten axiomatischen Rahmens (in unserem Beispiel die Rechenregeln), oder induktiv, also auf irgendeine Weise verifizierbar (etwa durch Erfahrung oder Statistiken), wie »es regnet in Spanien« oder »New Yorker sind in der Regel unhöflich«. Alles andere sei einfach blanker Unsinn (und Musik könnte ein weitaus besserer Ersatz für die Metaphysik sein). Selbstverständlich können induktive Aussagen schwer, ja sogar unmöglich nachzuprüfen sein, wie wir beim Problem des schwarzen Schwans sehen werden –
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