Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00BOAFYL0 EBOK

B00BOAFYL0 EBOK

Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
unangenehmen Minute sich schlimmer anfühlt als die Freude in jeder angenehmen Minute. Der Zahnarzt fühlt sich also sehr viel schlechter, wenn er seine Performance häufig prüft.
    Nehmen wir nun an, der Zahnarzt sieht sich sein Portfolio nur an, wenn er den Monatsauszug von seiner Brokerfirma erhält. Da 67 Prozent seiner Monate positiv sein werden, erlebt er nur vier Mal im Jahr eine herbe Enttäuschung und darf sich acht Mal freuen. Es handelt sich um den gleichen Zahnarzt, der die gleiche Strategie verfolgt. Nehmen wir weiter an, der Zahnarzt würde nur einmal im Jahr seine Performance prüfen. Dann würde er in den nächsten 20 Jahren seines Leben pro unangenehmer Überraschung 19 angenehme erleben!
    Diese skalierende Eigenschaft der Zufälligkeit wird gemeinhin selbst von Profis missverstanden. Ich habe miterlebt, wie sich promovierte Akademiker über die Performance während eines kurzen Zeithorizonts stritten (die gemessen an jedem Standard keinerlei Aussagekraft besaß). Bevor wir noch weiter auf den Journalisten herumhacken, sind noch einige andere Anmerkungen sinnvoll.
    Aus einem anderen Blickwinkel ergibt sich folgendes Bild: Wenn wir das Verhältnis zwischen Nebengeräuschen und so genannten »Sinnträgereinheiten« ermitteln (also zwischen der linken und rechten Spalte), das wir hier zum Glück quantitativ untersuchen dürfen, beobachten wir über einen Zeitraum von einem Jahr etwa 0,7 Einheiten Nebengeräusche pro Performanceeinheit. Während eines Monats beträgt der Anteil an Nebengeräuschen etwa 2,32. In einer Stunde kommen auf eine Performanceeinheit 30 Einheiten Nebengeräusche; in einer Sekunde sind es 1796 Einheiten.
    Hierzu ein paar Schlussfolgerungen:
Über einen kurzen Zeitraum verfolgt man die Schwankungen im Portfolio, nicht die Renditen. Mit anderen Worten: Man sieht wenig mehr als die Streuung oder Varianz. Ich rufe mir immer ins Gedächtnis, dass man im günstigsten Fall eine Mischung aus Varianz und Renditen sieht, aber niemals reine Renditen (aber meinen Emotionen ist es gleichgültig, was ich denke und mir sage).
Emotional können wir das nicht verstehen. Der Zahnarzt fuhr besser, als er sich mit Monatsauszügen beschäftigte, statt sein Depot häufiger zu prüfen. Noch besser würde es ihm vermutlich gehen, wenn er sich nur einen jährlichen Auszug schicken ließe (wenn Sie glauben, Ihre Gefühle zügeln zu können, sollten Sie sich vor Augen halten, dass sich manche Menschen auch einbilden, sie könnten ihren Herzschlag und das Wachstum ihrer Haare beeinflussen).
Wenn ich einen Anleger sehe, der sein Depot mit Live-Kursen auf seinem Handy oder PalmPilot verfolgt, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    Abschließend möchte ich auch einräumen, dass auch ich selbst nicht gegen derartige emotionale Mängel gefeit bin. Aber ich versuche, diesem Problem aus dem Weg zu gehen, indem ich – von seltenen Ausnahmen abgesehen – dafür sorge, dass ich keinen Zugang zu Informationen habe. Wie bereits erwähnt, lese ich lieber Gedichte. Wenn ein Ereignis wichtig genug ist, wird es mir schon zu Ohren kommen. Auf diesen Punkt werde ich zu gegebener Zeit nochmals zurückkommen.
    Die gleiche Methodik kann als Erklärung dafür dienen, wieso die Nachrichten (mit ihrem kurzen Zeithorizont) voll gespickt mit unsinnigen Nebengeräuschen sind und die Geschichte (mit ihrem langen Zeithorizont) nicht viel davon enthält (obwohl sie viele Auslegungsprobleme aufwirft). Das erklärt auch, warum ich lieber nicht Zeitung lese (von Nachrufen abgesehen), niemals über die Börse plaudere und im Trading Room die Gesellschaft der Mathematiker und Sekretärinnen suche, mich von den Händlern aber tunlichst fern halte. Es erklärt auch, warum es besser ist, montags den New Yorker zu lesen als jeden Morgen das Wall Street Journal (aus der Perspektive der Häufigkeit, von der enormen intellektuellen Kluft zwischen diesen beiden Publikationen ganz zu schweigen).
    Es erklärt aber auch, warum Menschen, die Zufälligkeiten zu genau unter die Lupe nehmen, irgendwann völlig ausgepowert sind – emotional erschöpft von den vielen Enttäuschungen, die sie einstecken mussten. Ganz gleich, was behauptet wird, eine negative Erfahrung kann von einer positiven nicht aufgewogen werden (den Schätzungen mancher Psychologen zufolge wiegen negative Erlebnisse bei einem durchschnittlichen Verlust um das Zweieinhalbfache schwerer als positive), so dass sich immer ein emotionales Defizit ergeben wird.
    Nun, da Sie wissen,

Weitere Kostenlose Bücher