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Würde er den Wert der ihm zur Verfügung stehenden Informationen so trivialisieren, wäre er sicherlich bald seinen Job los. Es ist nicht schwer für Journalisten, sich die Denkweise der Historiker zu Eigen zu machen; leider werden allmählich auch Historiker ihren Journalistenkollegen immer ähnlicher.
Ideen werden mit zunehmendem Alter schöner (eine Erörterung der mathematischen Aspekte dieser Aussage wäre an dieser Stelle noch verfrüht). Die Anwendbarkeit von Solons Warnung auf ein vom Zufall bestimmtes Leben verstärkt im Gegensatz zur genau gegenteiligen Botschaft unserer herrschenden Medienkultur meine Neigung, destillierte Gedanken neuerem Denken gegenüber vorzuziehen, auch wenn Letzteres noch so raffiniert scheint. Dies ist ein weiterer Grund, wieso sich neben meinem Bett die altehrwürdigen Bände stapeln (ich gestehe, dass die einzigen Nachrichten, die ich neben dem Economist heutzutage lese, die um ein Vielfaches interessanteren, anspruchsvollen gesellschaftlichen Klatschgeschichten sind, wie man sie in den Magazinen Tatler, Paris Match und Vanity Fair findet). Ich ziehe nicht nur die Geschliffenheit der antiken Gedanken der Grobheit der frischen Presseprodukte vor, sondern verbringe auch viel Zeit damit, die vorgestellten Gedanken in der Mathematik evolutionärer Argumente und konditionsabhängiger Wahrscheinlichkeiten zu formulieren. Denn wenn eine Idee so lange über so viele Zyklen hinweg überlebt hat, sagt das etwas über ihre relative Qualität aus. Die Nebengeräusche wurden zumindest teilweise herausgefiltert. Aus mathematischer Sicht bedeutet Fortschritt, dass einige neue Informationen besser sind als frühere, nicht etwa dass der Durchschnitt der neuen Informationen das frühere Denken ablöst. Das bedeutet, dass es im Zweifelsfalle besser ist, neue Ideen, Informationen oder Methoden systematisch zu verwerfen. Dies gilt eindeutig und schockierenderweise immer. Warum?
Die Argumentation für »Novitäten« oder den »allerletzten Schrei« lautet wie folgt: Sehen Sie sich die dramatischen Veränderungen an, die uns die Einführung neuer Technologien wie Auto, Flugzeug, Telefon oder Personal Computer gebracht haben. Durchschnittsmenschen (die Schlüsse ohne probabilistischen Ansatz ziehen) würden daraus folgern, dass alle neuen Technologien und Erfindungen unser Leben genauso revolutionieren werden. Aber die Antwort ist nicht so eindeutig: Wir sehen und zählen nämlich nur die Gewinner und ignorieren die Verlierer (das wäre so, als würde man sagen, Schauspieler und Schriftsteller seien reich, und dabei die Tatsache unberücksichtigt lässt, dass sehr viele Schauspieler als Kellner arbeiten – und sich weniger begehrte Autoren in der Regel glücklich schätzen dürfen, wenn sie bei McDonald’s Pommes Frites servieren können). Wer sind die Verlierer? Die Samstagszeitung listet Dutzende neuer Patente für Produkte auf, die unser Leben revolutionieren könnten. Die Menschen neigen zu der Schlussfolgerung, dass Erfindungen unterstützt werden müssen und wir das Neue dem Alten vorziehen sollten, nur weil ein paar Erfindungen unser Leben völlig verändert haben. Ich bin da ganz anderer Meinung. Die Opportunitätskosten, die einem entstehen, wenn man die »neueste Topneuheit« wie das Flugzeug oder das Auto verpasst, sind verschwindend gering im Vergleich zur Toxizität des Mülls, durch den man sich kämpfen muss, um diese Perlen zu finden (falls sie unser Leben überhaupt besser machen – was ich häufig bezweifle).
Genau die gleiche Argumentation gilt auch für Informationen. Problematisch an Informationen ist nicht, dass sie amüsant und im Allgemeinen nutzlos sind, sondern dass sie einen vergiften können. Wir werden später den zweifelhaften Wert sehr häufiger Nachrichten im Zusammenhang mit einer technischeren Diskussion der Rauschunterdrückung und Beobachtungsfrequenz untersuchen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der Respekt für lange Gereiftes Argumente liefert, warum jemand, der mit Ungewissheit behaftete Entscheidungen treffen soll, gut beraten wäre, jeglichen Kontakt zu den plappernden Journalisten von heute zu meiden und einen möglichst geringen Medienkonsum zu seinem Grundsatz machen sollte. Wenn es in der Masse der »brisanten« Eilnachrichten, mit denen wir bombardiert werden, etwas Besseres als Nebengeräusche geben sollte, wäre das die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Die Menschen erkennen nicht, dass Medien dafür bezahlt werden,
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