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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Mischung aus Wärme und Klang hinzubekommen). Menschen nennen so etwas Philosophie und finanzieren es häufig mit Subventionen, die ihrerseits mit Steuergeldern bezahlt werden! Bedenken Sie, dass die hegelianische Denkweise in der Regel mit »wissenschaftlichem« Geschichtsverständnis in Verbindung gebracht wird; sie hat Ergebnisse wie marxistische Regimes und sogar einen Zweig der Philosophie hervorgebracht, der sich »neohegelianisch« nennt. Diese »Denker« sollten einen Einführungskurs in statistischer Stichprobenlehre absolvieren, bevor man sie auf die Menschheit loslässt.

Monte-Carlo-Dichtkunst
    Es gibt Fälle, in denen ich mich gerne zum Narren des Zufalls machen lasse. Meine Aversion gegen Unsinn und leere Worthülsen verschwindet, wenn es um Kunst und Poesie geht. Einerseits versuche ich mich offiziell als nüchternen Hyperrealisten zu definieren, der die Rolle des Zufalls aufdecken will, doch andererseits habe ich keinerlei Gewissensbisse, mich allen erdenklichen Formen persönlichen Aberglaubens hinzugeben. Wo ziehe ich die Grenze? Das ist eine Frage der Ästhetik. Manche ästhetische Formen sprechen etwas Biologisches in uns an, ob sie nun das Ergebnis zufälliger Assoziationen oder reiner Halluzinationen sind. Etwas in unseren menschlichen Genen wird von der Verschwommenheit und Vieldeutigkeit der Sprache stark bewegt. Warum sollten wir also dagegen ankämpfen?
    Der Poesie- und Sprachliebhaber in mir war anfangs deprimiert, als ich von den Dichterspielen cadavres exquis hörte, bei der interessante und poetische Sätze zufällig konstruiert werden. Wenn man genügend Worte zusammenwirft, wird unweigerlich nach den Gesetzen der Kombinatorik eine außergewöhnliche, magisch anmutende Metapher darunter sein. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass einige dieser Gedichte atemberaubend schön sind. Wen kümmert ihr Ursprung, wenn es ihnen gelingt, unsere ästhetischen Sinne anzusprechen?
    Hier die Geschichte der cadavres exquis: In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg kamen etliche surrealistische Dichter, unter anderem auch der Papst des Surrealismus – Andre Breton – und Paul Eluard, in Cafes zusammen und probierten folgendes Spiel aus (moderne Literaturkritiker nennen als Grund für diesen Ansatz die niedergeschlagene Stimmung der Nachkriegszeit und das Bedürfnis, der Realität zu entfliehen): Auf einem gefalteten Papier schrieb jeder Teilnehmer einen im Voraus bestimmten Satzteil, ohne zu wissen, was die anderen ausgesucht hatten. Der erste wählte ein Adjektiv, der zweite ein Substantiv, der dritte ein Verb, der vierte ein Adjektiv und der fünfte ein Substantiv. Das erste publizierte Beispiel dieser zufälligen (kollektiven) Aneinanderreihungen war der folgende poetische Satz:
     
    Die erlesenen Kadaver werden den neuen Wein trinken
     
    ( Les cadavres exquis boiront le vin nouveau .) Beeindruckend? In der ursprünglichen französischen Version klingt es sogar noch poetischer. Auf diese Weise werden recht eindrucksvolle Gedichte verfasst, manchmal auch mit Hilfe eines Computers. Aber die Dichtkunst wurde abgesehen von der Schönheit ihrer Assoziationen niemals wirklich ernst genommen, ob sie nun aus zufälligen Ergüssen eines oder mehrerer verwirrter Gehirne oder aus den elaborierteren Konstruktionen eines bewussten Schöpfers hervorging.
    Ganz gleich, ob Dichtung mittels eines Monte-Carlo-Generators geschrieben wurde oder von einem blinden Mann in Kleinasien gesungen wird, die Sprache hat die Macht, uns Vergnügen und Trost zu spenden. Würde man ihre intellektuelle Gültigkeit auf den Prüfstein stellen, indem man sie in einfache logische Argumente übersetzt, würde man sie in unterschiedlichem Maße und bisweilen zu sehr dieser Macht berauben. Nichts ist fader als übersetzte Gedichte. Ein überzeugendes Argument für die Rolle der Sprache ist die Existenz der überlebenden heiligen Sprachen, die von den nüchternen Tests des täglichen Gebrauchs unberührt sind. Die semitischen Religionen – Judentum, Islam und die ersten Christen – verstanden dies. Die Sprache muss fern gehalten werden von der Rationalisierung der täglichen Benutzung, damit sie nicht durch Dialekte korrumpiert wird. Vor vierzig Jahren übersetzte die katholische Kirche ihre Gottesdienste und Liturgien aus dem Lateinischen in die jeweilige Landessprache, und man könnte argumentieren, dass dies zu einem Rückgang im religiösen Glauben führte. Plötzlich unterwarf sich diese Religion einem intellektuellen und

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