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B00BOAFYL0 EBOK

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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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kauft sie wieder später zurück in der Hoffnung, bei fallenden Kursen einen Gewinn zu machen; das nennt man »Leerverkäufe«). Carlos kaufte einfach nur – und zwar in großen Mengen. Er war überzeugt, dass er eine gute Risikoprämie für die Anleihen in seinem Bestand erhielt, weil in der Kreditvergabe an diese Länder ein wirtschaftlicher Wert steckte. Seiner Ansicht nach ergaben Leerverkäufe aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn.
    Innerhalb der Bank galt Carlos als das wandelnde Lexikon in Sachen Emerging Markets. Die neuesten Wirtschaftszahlen wusste er auf Anhieb. Er aß häufig mit dem Firmenchef zu Mittag. Seiner Ansicht nach ging es im Wertpapierhandel eigentlich ausschließlich um Ökonomie. Carlos wurde mehrfach befördert, bis in die Position des Chefhändlers am Emerging-Market-Desk der Bank. Ab 1995 erzielte er in der neuen Funktion ungeheure Erfolge und konnte sein Kapitalvolumen kontinuierlich ausweiten (das heißt, die Bank wies seinen Aktivitäten einen immer größeren Anteil ihrer Mittel zu) – und zwar so schnell, dass es ihm nicht einmal gelang, die neuen Risikolimite auszureizen.

Die guten Jahre
    Carlos erlebte gute Jahre nicht nur, weil er Emerging-Market-Anleihen kaufte und ihr Wert während dieses Zeitraums stieg. Es lag vor allem daran, dass er bei niedrigen Kursniveaus zukaufte. Er akkumulierte seine Bestände, wenn die Kurse einen momentanen Einbruch erlebten. 1997 wäre ein schlechtes Jahr für ihn gewesen, hätte er nach dem Kurseinbruch im Oktober, der den damaligen falschen Börsencrash begleitete, nicht seine Position aufgestockt. Weil es ihm so gut gelang, diese kleinen Rückschläge zu überwinden, begann er sich unbesiegbar zu fühlen. Er konnte nichts falsch machen. Er glaubte, dass die wirtschaftliche Intuition, die ihn auszeichnete, ihm zu guten Handelsentscheidungen verhalf. Nach einem Kursrückgang prüfte er die Fundamentaldaten, und falls diese immer noch solide waren, kaufte er mehr von den betreffenden Papieren zu und freute sich, wenn sich die Kurse wieder erholten. Ein Blick auf die Entwicklung der Emerging-Market-Bonds zwischen dem Zeitpunkt, als Carlos erstmals auf diesen Märkten aktiv wurde, und seiner letzten Bonuszahlung im Dezember 1997 zeigt eine ansteigende Linie mit gelegentlichen kurzfristigen Dellen wie die Abwertung des mexikanischen Pesos im Jahr 1995, gefolgt von einer Fortsetzung der Rallye. Man kann auch ab und zu eine Schwächephase erkennen, die sich später als »ausgezeichnete Kaufgelegenheit« erwies.
    Dann kam der Sommer 1998 und richtete Carlos zugrunde – mit dem letzten Kursrückgang, der nicht wieder in eine Rallye mündete. Seine Bilanz zeigte bis dato nur ein einziges schlechtes Quartal – aber das war abgrundtief schlecht. In den Vorjahren hatte er für seine Bank insgesamt nahezu 80 Millionen Dollar verdient. In einem einzigen Sommer verlor er dann aber 300 Millionen Dollar. Was geschah? Als die Kurse im Juni 1998 zu bröckeln begannen, informierten ihn die ihm wohl gesonnenen Quellen, dass diese Verkaufswelle lediglich auf die »Liquidation« eines Hedgefonds aus New Jersey zurückzuführen sei, den ein ehemaliger Wharton-Professor managte. Dieser Fonds sei auf Hypothekenpapiere spezialisiert und habe soeben Instruktionen erhalten, seinen gesamten Bestand zu liquidieren. Dazu gehörten auch einige russische Anleihen, was in erster Linie darauf zurückzuführen war, dass solche Renditegeier, wie die Hedgefonds auch genannt werden, ein »diversifiziertes« Portfolio hoch rentierlicher Wertpapiere aufbauen.

Zukauf zu fallenden Durchschnittskursen
    Als die Kurse zu fallen begannen, kaufte Carlos russische Bonds zu einem Durchschnittskurs von ungefähr 52 Dollar zu. Das war seine Spezialität: »averaging down«. Seiner Ansicht nach hatten die Probleme nichts mit Russland zu tun, und ein obskurer Fonds aus New Jersey, den irgend so ein verrückter Professor verwaltete, würde nicht über das Schicksal des europäischen Landes entscheiden. »Lesen Sie es mir von den Lippen ab: Es ist eine Li-qui-dation!« , rief er jenen zu, die seine Käufe in Frage stellten.
    Gegen Ende Juni war sein Handelserlös für 1998 von plus 60 auf plus 20 Millionen Dollar gefallen. Das machte ihn wütend. Aber er rechnete sich aus, dass er bei einer Rückkehr des Marktes auf das Niveau vor dem Ausverkauf in New Jersey wieder bei plus 100 Millionen Dollar stehen würde. Das sei so sicher wie das Amen in der Kirche, beteuerte er. Diese Anleihen würden

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