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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Wertpapiere kauften. Alle diese Länder bauten Hotels, in denen amerikanische Kabelnachrichtensender ausgestrahlt wurden, und statteten sie mit Fitnessclubs mit Heimtrainern und Großbildfernsehern aus, um sich so dem globalen Dorf anzuschließen. Sie hatten alle Zugang zu den gleichen Gurus und Finanzentertainern. Banker reisten an und investierten in Emerging-Market-Anleihen, und die betreffenden Länder bauten mit den Erlösen noch schönere Hotels, damit noch mehr Investoren zu Besuch kommen konnten. Irgendwann wurden diese Bonds zur Modeerscheinung und waren plötzlich nicht mehr wenige Cent, sondern viele Dollar wert. Wer sich auch nur ein wenig mit diesen Anleihen auskannte, häufte ein sagenhaftes Vermögen an.
    Carlos stammt dem Verlauten nach aus einer aristokratischen lateinamerikanischen Familie, die während der Wirtschaftskrise in den achtziger Jahren verarmte. Allerdings ist mir selten jemand aus einem schwer gezeichneten Land untergekommen, dessen Familie nicht zu irgendeinem Zeitpunkt angeblich eine ganze Provinz ihr Eigen nannte oder beispielsweise den russischen Zaren mit Dominosteinen belieferte. Nach einem brillanten College-Studium ging Carlos nach Harvard, um dort seinen Doktor (Ph.D.) in Volkswirtschaftslehre zu machen. Das war bei lateinamerikanischen Aristokraten damals so Brauch (wohl um ihre Volkswirtschaften vom Übel nicht promovierter Handlanger zu befreien). Carlos war ein guter Student, konnte aber kein vernünftiges Thema für seine Dissertation finden. Auch der Respekt seines Doktorvaters blieb ihm versagt; dieser hielt ihn für fantasielos. Carlos beließ es also bei einem Master’s Degree und schlug eine Karriere an der Wall Street ein.
    Der frisch gegründete Emerging-Market-Desk einer New Yorker Bank stellte Carlos im Jahr 1992 ein. Er brachte die richtigen Voraussetzungen für den Erfolg mit: Er konnte die Länder, die »Brady-Bonds« ausgaben (auf Dollar lautende Schuldtitel, die von weniger entwickelten Ländern emittiert wurden), auf der Landkarte finden. Er wusste, was das »Bruttoinlandsprodukt« ist. Er wirkte seriös, gescheit und konnte sich trotz seines starken spanischen Akzents gut ausdrücken. Er war die Art von Mensch, die Banken ruhigen Gewissens auf ihre Kunden loslassen konnten. Was für ein Gegensatz zu den anderen Händlern, die so gar keinen Schliff hatten!
    Carlos traf zum richtigen Zeitpunkt ein, um den Aufschwung des Marktes mitzuerleben. Als er zur Bank stieß, war der Markt für Emerging-Market-Schuldtitel klein und die Händler waren in unbeliebten Teilen des Trading Floors untergebracht. Dann aber wurde dieser Tätigkeitsbereich zu einem großen, wachsenden Umsatztreiber der Bank.
    Carlos war ein typischer Vertreter der Emerging-Market-Trader. Sie sind eine Schar kosmopolitischer Aristokraten aus allen Teilen des Emerging-Market-Universums, die mich an die internationale Kaffeestunde an der Wharton School erinnern. Ich finde es seltsam, dass sich nur selten jemand auf den Markt des Landes spezialisiert, in dem er geboren wurde. In London arbeitende Mexikaner handeln mit russischen Wertpapieren, Iraner und Griechen spezialisieren sich auf brasilianische Bonds, und Argentinier kaufen und verkaufen türkische Anleihen. Anders als die wahren Händler, die ich kenne, sind sie alle in der Regel kosmopolitisch, gut gekleidet und Kunstsammler – aber keine Intellektuellen. Sie wirken zu konformistisch für wahre Händler. Die meisten von ihnen sind zwischen 30 und 40, was daran liegt, dass ihr Markt noch sehr jung ist. Man kann damit rechnen, dass viele von ihnen ein Abonnement für die Metropolitan Opera in New York haben. Ich bin der Meinung, dass wahre Händler sich schlampig kleiden, oft nicht gut aussehen und die intellektuelle Neugier von Menschen besitzen, die sich mehr für Informationen interessieren, über die der Inhalt einer Mülltonne Aufschluss gibt, als für ein Gemälde von Cézanne an der Wand.
    Carlos blühte als volkswirtschaftlich versierter Händler auf. Er hatte ein umfangreiches Netz von Freunden in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern und wusste ganz genau, was sich dort abspielte. Er kaufte Anleihen, die er für interessant hielt, weil sie entweder gute Zinsen abwarfen oder weil er glaubte, dass sie in der Zukunft gefragt sein würden, so dass ihr Kurs steigen würde. Es wäre vielleicht nicht richtig, ihn als Händler zu bezeichnen. Ein Händler kauft und verkauft (manchmal verkauft er auch Papiere, die er nicht besitzt, und

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