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Bestünde aber die ursprüngliche Gruppe aus 10 000 Managern, würde ich keinen Pfifferling auf die Ergebnisse geben. Letzteres ist in der Regel der Fall; heutzutage betrachten so viele Menschen die Finanzmärkte als attraktiv. Zahlreiche Hochschulabsolventen schlagen erst die Laufbahn eines Börsenhändlers ein, scheitern dort und studieren dann Zahnmedizin.
Wenn sich diese fiktiven Manager wie im Märchen plötzlich in reale Menschen verwandeln würden, könnte dann einer von ihnen der Mann sein, mit dem ich morgen um 11.45 Uhr einen Termin habe? Warum habe ich dieses Treffen auf 11.45 Uhr gelegt? Weil ich ihn nach seiner Tradingstrategie befragen möchte. Ich muss wissen, wie dieser Manager handelt. Wenn mein Gegenüber dann zu viel Gewicht auf seine Erfolgsbilanz legt, kann ich so tun, als hätte ich eine dringende Verabredung zum Mittagessen.
Das Leben ist voller Zufälle
Als Nächstes werden wir uns ansehen, wie sich unsere verzerrte Wahrnehmung von Zufallsverteilungen im wahren Leben auswirkt.
Der geheimnisvolle Brief
Nehmen wir an, Sie erhalten am 2. Januar einen anonymen Brief, in dem Ihnen mitgeteilt wird, dass die Aktienkurse im Laufe des Monats steigen werden. Diese Information stellt sich als richtig heraus, aber Sie ignorieren sie wegen des bekannten Januar-Effekts (historische Daten zeigen, dass Aktien im Januar steigen). Dann prophezeit Ihnen am 1. Februar ein weiterer Brief, dass die Kurse fallen werden. Wieder erweist sich das als richtig. Am 1. März erhalten Sie einen weiteren Brief – wieder das Gleiche. Bis zum Juli sind Sie fasziniert von der Prognosekompetenz des anonymen Briefeschreibers, der Sie jetzt bittet, Geld in einen speziellen Offshore-Fonds zu investieren. Sie legen alle Ihre Ersparnisse in diesem Fonds an. Zwei Monate später ist Ihr Geld weg. Sie weinen sich bei Ihrem Nachbarn aus, und er erzählt Ihnen, dass er sich daran erinnern kann, ebenfalls zwei dieser geheimnisvollen Briefe erhalten zu haben. Danach flatterten ihm aber keine solchen Vorhersagen mehr ins Haus. Er weiß aber noch, dass die erste Prognose richtig und die zweite falsch war.
Was geschah? Sie sind auf folgenden Trick hereingefallen: Der Schwindler wählt 10 000 Namen aus einem Telefonbuch aus. Er schickt an die Hälfte der Stichprobe einen optimistischen Brief und an die andere Hälfte einen pessimistischen. Im nächsten Monat wählt er die Namen der Personen aus, denen er den Brief mit einer im Nachhinein richtigen Prognose schickte, also 5000 Namen. Im nächsten Monat macht er das Gleiche mit den verbleibenden 2500 Namen, bis sich die Liste auf 500 Personen reduziert hat. Davon werden 200 zu seinen Opfern. Eine Investition von einigen tausend Dollar in Briefmarken verwandelt sich in Gelder in Höhe von mehreren Millionen.
Ein unterbrochenes Tennismatch
Häufig werden Zuschauer, die sich im Fernsehen ein Tennismatch ansehen, mit Werbung für Investmentfonds belästigt, die (bis zu dieser Minute) über einen bestimmten Zeitraum eine im Vergleich zu anderen Fondsprodukten überdurchschnittliche Performance aufwiesen. Wenn man es sich genau überlegt, muss man sich aber fragen, warum jemand überhaupt Werbung machen würde, wenn sein Fonds nicht zufällig den Markt schlägt? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese Investmentmöglichkeit auf sich aufmerksam machen will, wenn ihr Erfolg allein auf den Zufall zurückzuführen ist. Dieses Phänomen bezeichnen Ökonomen und Versicherungsexperten als »Negativselektion«. Wegen dieser Selektionsverzerrung müssen bei der Beurteilung einer Anlagemöglichkeit, die Ihnen angeboten wird, strengere Standards angelegt werden als bei den Anlagen, die Sie aktiv suchen. Wenn ich beispielsweise eine Gruppe von 10 000 Managern aktiv anspreche, liegt die Wahrscheinlichkeit, einen falschen Überlebenden zu finden, bei zwei Prozent. Bleibe ich aber zu Hause und warte, bis es bei mir klingelt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein falscher Überlebender vor meiner Haustür für sich wirbt, fast bei 100 Prozent.
Umgekehrte Überlebende
Bislang haben wir uns mit falschen Überlebenden beschäftigt – die gleiche Logik gilt aber auch für talentierte Menschen, für die zwar die Chancen sehr gut standen, die aber dennoch letztendlich auf dem Friedhof landeten. Dieser Effekt ist das genaue Gegenteil des Survivor Bias. Schließlich genügen in der Investmentbranche bereits zwei schlechte Jahre, um eine Karriere im Risikoumfeld zu beenden. Selbst bei großer
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