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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Künstlerin. Sie ist hauptsächlich Hausfrau und Mutter, wussten Sie das?«
    »Ich …«
    »Wenn Sie mit mir sprechen wollten, Herr Rosen, dann vermutlich deshalb, weil ich ihre Tochter bin. Ich kenne meine Mutter besser als mich selbst. In erster Reihe steht bei ihr die Familie. Dann lange nichts. Und dann die Kunst.« Das stimmt sogar, wenn auch anders, als ich will, dass er es versteht, denkt Sam amüsiert. »Solche Künstlerinnen finden Sie als Journalist nicht attraktiv. Keine Legenden, Krankheiten, Affären. Sondern solides Handwerk. ›Artes‹ interessiert sich dafür in der Regel überhaupt nicht.«
    »Wenn …«
    »Stattdessen fahren Sie auf Frauen wie die Tsiadis ab, nicht wahr?« Sam beugt sich vor. »Künstlerinnen, die umrankt sind von mirakulösen Geschichten. Wie kann eine Griechin aus einem Fischerdorf, deren Eltern nicht lesen und schreiben konnten, eine gefeierte Künstlerin werden? Wie hat sie sich aus dem anarchischen Dorfverband am Mittelmeer in die Metropole Londons vorgearbeitet? Das sind die Storys, denen Sie nachlaufen.«
    Sam holt tief Luft. Das reicht erstmal. Sie hat ihn aus dem Konzept gebracht.
    Er trinkt sein Bier aus und ordert ein neues. Der Geräuschpegel im Lokal sinkt. Die erhitzten Gespräche voller Lachsalven und grober Sprüche sind geruhsamer geworden. Man hat sich ausgetobt.
    Sam mustert Rosens Gesicht. Er war auf der Ausstellung. Und er hat angeregt mit dem Italiener gesprochen. Diesem Loredan. Sie hat ihn gesehen. Ihn jedoch nicht weiter beachtet, weil dort zu viele Menschen waren, ein einziges Chaos aus Leuten.
    Die Idee, die Karte mit dem Hinweis auf Elenis Ausstellung in Venedig mir unterzuschieben, denkt Sam, die stammt nicht von ihm. Sie beobachtet die junge Frau mit der Bistroschürze, die ein frisches Weizenbier an ihren Tisch bringt. Sie stellt es schwungvoll vor dem Reporter ab. Der Schaum rinnt außen am Glas herab.
    »Zum Wohl!«, sagt sie fröhlich, obwohl ihr Gesicht müde ist von einem langen Tag.
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«, fragt Sam. Die plötzliche Panik, die in ihr aufsteigt, macht ihre Stimme scharf. Ich klinge wie Victoria, denkt sie.
    »Mein Chefredakteur …«
    »Chefredakteur? Kommen Sie, Herr Rosen. Wir spielen hier nicht Märchenstunde.« Sam lacht leise auf. So direkt und unhöflich hat sie kaum jemals mit einem Menschen gesprochen. Plötzlich kommt sie sich vor wie auf einer Bühne, auf der sie sich freispielt – weil sie das Stück endlich versteht. Sie steht auf. »Jedenfalls war es sehr aufmerksam von Ihnen, über den italienischen Journalistenverband die Freikarten für Roman und mich zu ordern. Für die Finissage, meine ich.«

54
    Blanca liegt im Bett und weint. Vor Verzweiflung und Einsamkeit. Vorhin ist Luna bei ihr gewesen. Sie genießt die Besuche dieser quirligen jungen Frau. Aber sie sehnt sich doch nach Sam. Victoria hat ihr das jahrzehntelang vorgeworfen: Sam ist dein Ein und Alles! Und es ist wahr: Sam erinnert Blanca so sehr an Grace. Als sie ein Baby war, schien die Ähnlichkeit nicht so auffallend. Babys sehen ohnehin alle gleich aus. Aber allmählich wuchs sie zu einem Abziehbild von Grace heran.
    Blanca legt sich auf die Seite und angelt mühselig ein Taschentuch vom Nachttisch. Ihr Gesicht ist heiß vom Weinen. Sie versteht Sams Zorn. Sam hat nie wirklich rebelliert. Sie hat sich angepasst. Erst im Alter von 30 Jahren hat sie es geschafft, sich der Familie zu entziehen.
    Blanca blinzelt in die Dunkelheit. Wie hat sie die Tage genossen, als Sam hier bei ihr wohnte. Sie ist richtig aufgelebt, hat sich lebendig, stark, froh gefühlt. Jetzt drückt das Alleinsein sie nieder. Daran ändern auch Lunas Besuche nichts. Luna ist eine tolle junge Frau, die für ihre Freundin Sam sogar die alte Großmutter betüttelt. Aber Luna ist nicht Sam. Da ist eine Verbindung zu Sam, die Blanca seit Jahr und Tag gespürt hat. Für Theatralik hat sie in aller Regel nichts übrig. Aber es kommt ihr doch so vor: als wären sie Zwillingsseelen. Zwei Teile einer Seele, so nah sind sie einander.
    Ob es sich für Sam genauso anfühlt? Eine Zeitlang war Blanca sich dessen sicher. Jetzt beginnt sie, an allem Möglichen zu zweifeln. Sie fragt sich, ob Victoria je Sams Hände genauer angesehen hat. Letztlich können sie alle, kann die ganze Familie froh sein, dass Sam ausgerechnet Grace so ähnlich sieht.
    Blanca putzt sich die Nase. Da klingelt das Telefon. Sie fährt zusammen. Es ist spät, fast elf Uhr. Sie schaltet das Nachttischlämpchen an und

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