B00DJ0I366 EBOK
Biergartengeräusche. Auch etwas, das es in Italien nicht gibt. Es riecht nach gegrillten Bratwürsten. Der Geruch sickert in ihre Erinnerungen.
Das haben sie oft gemacht. Im Garten gegrillt. Vater hat gegrillt. Mutter die Brötchen aufgebacken. Ihre Aufgabe war es meist, den Salat herzurichten. Und ihre Schwester …
Eleni wischt sich über die Augen. Ein Hase jagt vor ihnen über das Sträßchen.
»Ich bin froh, wenn ich wieder in der Zivilisation bin«, meckert der Fahrer.
Sie haben nicht viel geredet auf der über zweistündigen Fahrt. Eleni war eben noch hundemüde. Jetzt ist sie wie elektrisiert. Die Schmerzen in der Hüfte, verstärkt durch das lange Sitzen, scheinen weit weg.
Wie aus dem Nichts taucht die Einfahrt zum Hotel vor ihnen auf. Der Weg ist beleuchtet.
»Mein lieber Herr Gesangsverein!« Der Fahrer lacht. »Das ist ja fürstlich!«
»In einem Herzogtum ist alles fürstlich.« Eleni nimmt ihre Börse aus der Handtasche und zahlt eine astronomische Summe. »Besten Dank für die Fahrt. Kommen Sie gut zurück.«
Er öffnet Eleni die Tür, hilft ihr aus dem Wagen. Sie stützt sich schwer auf den Stock. Der Fahrer trägt ihren Koffer zur Rezeption. Die Lobby ist leer. Es riecht muffig. Aus dem Restaurant hört Eleni das Klappern von Geschirr. Leute lachen, rufen. Stühle werden gerückt.
Eine junge Frau eilt herbei.
»Ja, bitte?«, fragt sie.
Eleni verdreht die Augen. Diese Erinnerung an das landläufige Benehmen hier hat sie verdrängt. Sie denkt an die Lobby im Gabrielli Sandwirth. He, das ist nicht vergleichbar, mahnt sie sich.
»Eleni Tsiadis. Ich hatte ein Zimmer bestellt.«
»Waren Sie schon mal bei uns?«
»Nein.«
»Dann bräuchte ich Ihre Papiere, bitte.«
Eleni legt mit einer grazilen Bewegung ihren Pass auf die Theke.
»Sie kommen aus Griechenland?«
»Exakt.« Eleni verschenkt ein Lächeln. Sie ist der Meinung, dass sie davon immer genug haben wird. »An der Krise bin ich allerdings nicht schuld.«
Nun ist es an der Frau, zu lächeln, aber es ist ein beschämtes Grinsen, das auf ihr Gesicht tritt und sofort erlischt.
»Zimmer 409. Wenn Sie möchten, hole ich jemanden, der Ihr Gepäck trägt.«
»Sehr umsichtig.« Eleni schüttelt innerlich den Kopf. Wenn Sie möchten … kann die Lady nicht sehen, dass Eleni nicht einmal imstande ist, sich selbst eine Treppe hinaufzuhieven?
Plötzlich fragt sie sich, was sie eigentlich hier will. Sie hat das Provinzielle immer verabscheut. Aber das Fischerdorf, dieses winzige Eckchen an der Küste des Ionischen Meeres, war natürlich viel provinzieller.
Sie wartet auf den Fahrstuhl, der langsam in die Lobby kriecht. Als sich die Türen öffnen, prallt sie zurück. Hendrik Rosen kommt heraus. Mit einem Notizblock in der Hand und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Sie tritt ein Stück zurück.
Warum ist Loredans Schoßhund hier?
Rosen sieht sie erst gar nicht. Er ist ganz in seine Notizen vertieft. Seine riesige Tasche streift Eleni. Er sieht hoch. Sie senkt den Blick nicht, sondern nickt ihm zu und betritt den Fahrstuhl, wo sie auf irgendeinen Knopf drückt. Die Türen schließen sich beängstigend langsam. Sie schaut stoisch in den Spiegel und richtet ihren Hut.
60
Sam ist bester Laune. Beschwingt schließt sie ihre Haustür auf. Nach dem Friseurbesuch war sie doch noch shoppen mit Blanca und Luna. Sie hat eine grüne, weite Hose erstanden und eine Tunika, weiß mit grünen Blümchen. Sieht verboten verträumt aus, wie Luna sagte. Sam fühlt sich rundum wohl. Und ihr Haar erst! Es ist jetzt höchstens kinnlang und hat silbrige Strähnchen bekommen.
Nach dem Kaufrausch sind sie in Lunas Atelier gegangen, haben gekocht, gegessen, anschließend Blanca in ein Taxi gesetzt und sich an die liegen gebliebene Arbeit gemacht. Um kurz vor sieben, als Sam gerade nach Hause gehen wollte, hat Roman eine SMS geschickt.
Muss dich sprechen. Wichtig. Um acht im Miles and More?
Sam schleudert die Tüten mit den Einkäufen auf das Sofa. Ihre Wohnung ist ein einziger Saustall. Sie räumt die Überreste der Anprobier-Orgie von heute Morgen auf, dann holt sie ihr grünes Ensemble aus der Tüte. Himmel, sie hat auch Kosmetik gekauft. Grundierung, Concealer, Mascara, Lipgloss und einen Stift, der angeblich einen goldenen Schimmer auf das fertige Make-up zaubert. Sie hat ein halbes Vermögen für das Zeug ausgegeben, dabei macht sie sich eigentlich nichts aus Kosmetik. Aber Blanca und Luna haben recht: Sie kann nicht im schicksten aller
Weitere Kostenlose Bücher