B00DJ0I366 EBOK
»Ich habe zu viel Obst im Garten. Zu viel für mich allein. Und gut siehst du aus!«
»Blanca!« Sam spürt, wie Luna ihr das Glas abnimmt, dann stürzt sie auf die alte Frau zu. Ihr Geruch, das seidige Haar, an das sie ihre Wange schmiegt … Sie ist so unglaublich froh, Blanca zu sehen.
»Heulst du etwa?«, fragt Blanca. Ihre Stimme kommt dumpf aus Sams Umarmung.
»Nein.«
»Gut, dass Sie kommen konnten, Frau May«, mischt sich Luna ein.
Sam lässt ihre Großmutter los. »Was ist das jetzt für eine Verschwörung?«
»Kommen Sie bitte herein!« Luna nimmt Blanca das Netz ab.
Sprachlos sieht Sam zu, wie ihre Freundin einen dritten Sektkelch mit Champagner füllt und ihn Blanca reicht. »Bevor wir ans Werk gehen! Viva!«
Sam sieht sich selbst dabei zu, wie sie das Glas hebt. Es kommt ihr vor, als beobachte sie von oben das Spektakel, in dem drei Frauen im Wohnzimmer stehen, Champagnergläser heben und feierlich anstoßen, während um sie herum Schuhe, Kleiderhaufen und allerlei Kram den wenigen Platz okkupieren.
»Jetzt«, Luna stellt ihr Glas ab, »kommt Überraschung Nummer zwei.«
»Da bin ich aber gespannt.« Blanca lächelt Sam an, kneift ihr kurz in die Wange und sieht zu, wie Luna mehr Sachen aus ihrem Kleidersack holt. »Voilà, Madame May.«
Es ist ein Hosenanzug, schwarz, der Blazer hat silberne Pailletten auf der Brust und lange Rockschöße. Die Hosenbeine sind silbern und schwarz gestreift und weit geschnitten.
»New Orleans lässt grüßen. Damit können Sie im Jazzclub auftreten, Blanca.« Beifall heischend sieht Luna von einem zum anderen.
»Du hast auch ein Outfit für Blanca genäht? Wann hast du das denn gemacht?«
»Nun«, Luna grinst, »Blanca und ich kamen auf die Idee, als wir mit Lucienne in der Küche saßen und die Welt in ihre Einzelteile zerlegten. Deine Großmutter meinte, es gäbe zur Abwechslung was Positives zu tun.«
»In all that mess!« Blanca weist aus dem Fenster, als stünde genau dort das Schlamassel, das sie alle im Griff hat.
»Aber«, fängt Sam an. Es fühlt sich so gut an, dass Blanca hier ist. Dass Luna hier ist. »Ich … danke, Luna!«
»Wenn ich den Friedensnobelpreis kriege, kommst du hoffentlich mit nach Oslo. Jetzt ist erstmal Anprobe angesagt. Für drunter, also unter den Blazer, habe ich ein simples schwarzes Top bei C&A gekauft.«
Sam kriegt den Mund nicht mehr zu, während Blanca sich die Sachen schnappt und in Sams Schlafzimmer verschwindet.
»Sag mir, dass ich nicht träume!«, bittet Sam.
»Keine philosophischen Spitzfindigkeiten! Willst du mein Kleid sehen?«
»Unbedingt.«
Fiebrig kramt Luna im Kleidersack. Sie holt zwei tiefrote Teile heraus. Einen Minirock und ein ärmelloses Top. Dazu eine fein gehäkelte Stola in noch dunklerem Rot.
»Ich fasse es nicht! Du musst Tag und Nacht gearbeitet haben!«
»Naja, was ich tagsüber gemacht habe, das weißt du ja. Ich musste nur drauf achten, nichts herumliegen zu lassen, was dir verraten hätte, dass was hinter deinem Rücken läuft.«
Eilig schlüpft Luna aus Jeans und Pulli und zieht ihre Eigenkreation an. Sam muss ihr den Reißverschluss schließen.
»Die Pumps dazu habe ich unter Dach und Fach. Und Blanca kriegt schwarze Reeboks, in denen sie prima laufen kann. Die geben dem Ensemble den sportlichen Touch.« Keck drapiert sie die Stola über ihren nackten Schultern.
Blanca kommt aus dem Schlafzimmer.
»Und?«, fragt sie, während sie sich ganz langsam im Kreis dreht. »Gehöre ich zum Club?«
Sam setzt sich auf ihr Sofa und lässt den Tränen freien Lauf. Eine Hand verwuschelt ihr Haar. Blancas Hand. Ein wenig rau und ganz warm.
»Ich habe Mist gebaut, Blanca. Ich …«
»Pssst.« Blanca lacht leise. »Es gibt eine Menge zu erzählen. Aber nicht jetzt. Jetzt wird Kosmetik besorgt, und anschließend gehen wir zum Friseur.«
59
Rolando Loredan ist schlecht gestimmt, als er Eleni im Café Florian am Markusplatz trifft. Es ist ein heißer, schwüler Tag. Sie sitzen draußen, umschwirrt von Touristen, Tauben und den Musikfetzen einer Combo, die Wiener Walzer fiedelt und dabei immer mehr beschleunigt. Ein paar Zuhörer klatschen begeistert. Gute Musik ist was anderes, findet Eleni.
»Verehrte Eleni, übermorgen Abend, da kommen Sie gewiss ins La Fenice? Caterina La Duca stellt dort im Foyer aus.«
Der Name ist Eleni nicht unbekannt. Eine Nachwuchsfrau, Mitte 30. Sie denkt an sich selbst, als sie Mitte 30 war. Zerstückelt, bewegungsunfähig, sprachlos.
»Signor Loredan, mein
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