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geändert.
»Schließlich kam der Ruhm, zuerst langsam und zögerlich. Sehr bald rauschte er herab, schwemmte über mich hinweg. Bis heute.« Grace setzt den Hut wieder auf und stopft mit ein paar geschickten Bewegungen ihr Haar unter die Krempe. »Und ich liebe das. Den Ruhm. Das Geld. Ehrlich.«
Sam muss lächeln.
»Bereut habe ich nichts. Nicht den Sturz, obwohl ich seitdem nicht laufen kann wie andere, nicht mehr tanzen kann. Obwohl ich Schmerzen habe. Doch ich bin am Leben.«
Ein paar Wolken segeln über den unverschämt blauen Himmel. Sam sieht ihnen nach. Aus dem Grün des langgestreckten Hügels an der Ostseite des Rosengartens lugen die Dächer der Villen. Der starke Duft der Blüten verdichtet sich in der zunehmenden Hitze des Tages.
»Ich will nicht, dass Blanca leidet«, sagt Sam nach einer langen Pause. »Ich wusste nichts. Sie haben alles von mir ferngehalten.«
»Um dich zu schützen. Das sieht meiner Mutter ähnlich.«
Es gefällt Sam nicht, wie Grace ›meine Mutter‹ sagt.
»Es ist ein Reflex, verstehst du?«, fährt Grace fort. »Es ist ja nicht so, dass ich nie Sehnsucht nach meiner Familie gehabt hätte. Bloß irgendwann war es zu spät, sich in Erinnerung zu bringen. Es war für beide Seiten besser so, wie es war.«
Sam sieht Luna Richtung Terrasse kommen. Sie trägt wieder ihre hochhackigen Schuhe. Sam winkt ihr zu.
»Luna ist meine beste Freundin«, stellt Sam vor. »Und das ist Grace May. Meine Mutter.«
»Freut mich außerordentlich.« Luna strahlt Grace an, bevor sie sich an Sam wendet. »Zu deiner Info: Das Corpus Delicti ist vernichtet. Sollen wir Grace jetzt die Ausstellung zeigen?«
»Keine gute Idee«, murmelt Sam.
»Hanna habe ich eingeweiht. Und Grace wird nichts sagen.«
»Was werde ich nicht sagen?«, kommt es von Grace.
»Wenn du die Bilder siehst, dann …« Sam weiß nicht weiter.
»Dann werden Sie schon sehen«, ergänzt Luna. »Aber behalten Sie für sich, was Sie denken.«
»Das heißt, wir inszenieren jetzt eine Familienzusammenführung?«
»Quatsch. Wir führen Eleni Tsiadis als eine griechische Nebenlinie der Familie ein. Wie war das mit dem guten Onkel Fred aus Amerika, der ein wenig aus der Art geschlagen ist, Sam?« Luna grinst durchtrieben. »Nur für die Öffentlichkeit und für die Presse. Ich habe hier einen Stammbaum ausgearbeitet, den ihr bitte rasch auswendig lernt. Onkel Freds erotische Eskapaden, die dominanten Gene der Mays, deswegen sehen sich Sam und Eleni ähnlich, blabla. Schließlich bitten wir die Gäste, dass man uns, den engeren Kreis, allein lässt, damit ihr euch aussprechen könnt.« Lunas Augen leuchten.
Ungläubig betrachtet Sam Lunas Notizen. »Aber …«
»Du hast doch ein paar tausend mehr Wörter zur Verfügung als dieses eine ›aber‹, liebe Sam«, grinst Luna. »Wie wäre es mit: ›geniale Idee, Luna‹?«
Grace lacht auf. »Saubere Lösung, ich muss schon sagen.« Sie stemmt sich hoch und greift nach dem Stock. »Auf los geht’s los.«
68
Lunas Plan funktioniert, fürs Erste wenigstens. Grace gibt eine Art improvisierte Pressekonferenz, in der sie mit wenigen Worten skizziert, dass der immer unter den Teppich gekehrte Schwerenöter, Fred May, das schwarze Schaf der Familie, auch in Griechenland erotisch für Furore gesorgt hat, was der gesamten Verwandtschaft erst vor wenigen Wochen klar wurde.
»Wenn jemand nachforscht«, flüstert Sam Roman zu, »kommen sie drauf, dass das zeitlich gar nicht hinkommen kann.«
»Egal. Gib ihnen Fleisch und sie reißen es. Morgen sind neue Themen dran.«
Blanca sitzt ein wenig blass auf dem Klappstuhl, das eine Bein über das andere geschwungen. Ihr Blick hängt an Grace. Sie beantwortet einem Journalisten von Oberfranken-TV ein paar Fragen. Darauf bittet sie Luna, sie zur Toilette zu begleiten. Sorgenvoll sieht Sam ihr nach.
Victoria stottert und stammelt herum, sie ist überfordert, niemand konnte sie einweihen, geistesgegenwärtig spielt sie mit, lässt Sam sprechen, dann Grace, die sich als unbekannte Cousine und Überraschungsgast etikettiert.
»Tja, wir dachten«, sagt Sam, erstaunt darüber, wie kühl und entspannt sie klingt, »dass die Vernissage eine ideale Gelegenheit wäre, diese neu entdeckten familiären Bande öffentlich zu machen.«
Lafontaine posaunt ein paar Fragen in den Raum, Hendrik Rosen macht eifrig Notizen. Der Kulturreferent der Stadt nutzt die Chance, um sich selbst und seine Arbeit ins Rampenlicht zu rücken.
»Lass ihn reden«, raunt Roman Sam
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