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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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gut, Victoria.« Sam legt der Frau, die sie ein Leben lang für ihre Mutter hielt, den Arm um die knochigen Schultern. »Gefällt es dir besser, wenn ich dich mit deinem Namen anrede?«
    »Bei Blanca tust du es auch. Und sie ist deine Großmutter.« Victoria schluchzt auf. »Wie konnte das nur alles so weit kommen, Sam?«
    Sie durchqueren die Halle, wo vorhin das Büffet stand, und wo jetzt die Leute vom Reinigungsdienst beschäftigt sind.
    »Lass uns gehen«, schlägt Sam vor.
    Sie verlassen das Kongresshaus. Es ist heiß. Die Sonne brennt. Sie gehen die Alexandrinenstraße hinauf und biegen zum Glockenberg ab.
    »Gehen wir nach Hause?«, fragt Victoria. »Aber vielleicht betrachtest du das Haus nicht mehr als dein Zuhause.«
    »Victoria, ich habe nicht gelogen, nicht betrogen und nichts weiter gemacht als in ein Gefüge hineinzuwachsen, das ich mir nicht ausgesucht habe.«
    »Geht uns das nicht allen so?«
    Sam weiß nichts zu erwidern. Ihr ist heiß. Die Schuhe reiben. Sie erreichen die Villa, in der sie aufgewachsen ist.
    »Setzen wir uns in den Garten?«, fragt Victoria.
    »Okay.«
    Sam zieht die Schuhe aus und lässt sie ins Gras fallen. Victoria tut es ihr gleich. Sie setzen sich in die Gartenstühle im Schatten des Hauses.
    »Schön kühl hier«, sagt Sam. Sie hat vergessen, wie sehr sie den Garten im Haus ihrer Eltern immer mochte. Seine Weitläufigkeit, die dichte Hecke, in der Kohorten von Spatzen hausen. Die hohen Bäume oben beim Nachbargrundstück, wo das rote Dach der kleinen Scheune zu sehen ist, in der Robert seine Gartenwerkzeuge verwahrt.
    »Willst du Tee?«, fragt Victoria.

    *

    Zehn Minuten später stehen zwei Teetassen und ein Teller mit Zitronenscheiben vor ihnen. In einem der Nachbargärten lässt jemand einen Rasenmäher an. Der Motor hustet und stottert. Nach ein paar sinnlosen Versuchen gibt der Nachbar auf. Wieder sinkt Stille auf den warmen Garten herab.
    »Natürlich habe ich Angst gehabt«, sagt Victoria irgendwann. »Man hätte mich doch belangen können. Immerhin habe ich meine Schwester von einer Klippe gestoßen. Wir waren allein, es gab keine Zeugen. Niemand hat mich gesehen. Wenn die Polizei ernsthaft nach Spuren und Beweisen gesucht hätte, hätten sie am Ende womöglich etwas gegen mich in der Hand gehabt. Und ich stand unter Schock. Ich ging zur Polizei und meldete, meine Schwester wäre vor meinen Augen über den Rand der Klippe gestürzt, was auch stimmte. Denn ich weiß nicht einmal, ob ich sie wirklich gestoßen habe. Wir haben gestritten, daran erinnere ich mich.«
    »Wegen Robert. Meinem Vater.«
    »Ich ahnte, dass Grace mit Robert ein Verhältnis hatte. Natürlich konnte ich rechnen. Du kamst zur Welt, gute neun Monate, nachdem Grace mit Laurenz Schluss gemacht hat. Robert hat meine Schwester getröstet. Er war immer von Grace fasziniert, obwohl er sie nicht liebte, glaube ich. Robert suchte einfach ab und zu Abwechslung, und zu Beginn unserer Ehe haben wir oft gestritten. Aus den Diskussionen ging ich meistens als Sieger hervor. Erst später wurde mir klar, dass Robert dadurch unter Druck geriet und diesen Druck auf unterschiedliche Weise abbaute. Entweder stürzte er sich in die Arbeit – das war eigentlich meistens seine Lösung. Oder er schlief mit einer Frau. So wie jetzt.«
    »Es tut mir leid«, murmelt Sam.
    »Muss es nicht. Robert beteuert, seine Affäre mit Grace wäre kurz gewesen. Du gingst daraus hervor. Grace war doppelt durchgedreht: Zum einen, weil sie überhaupt schwanger wurde und nichts auf der Welt weniger wollte als das. Zum anderen, weil Robert dein Vater war und sie Angst hatte, ich würde dahinterkommen. Robert wusste von seiner Vaterschaft. So dumm kann kein Mann sein, dass er nicht bis neun zählen kann, aber er hat es erst vor ein paar Tagen zugegeben, als ich ihn fragte. Sein Glück war nur, dass du Grace so ähnlich sahst, schon als kleines Mädchen, dass niemand Verdacht geschöpft hätte, selbst wenn Grace aus Griechenland zurückgekommen wäre und wir dich nicht adoptiert hätten.«
    Sam schweigt und wartet.
    »Aber Grace war weg, und so kam alles anders. Robert hat dich immer geliebt, er hat dich vergöttert. Mir war das recht. Ich wollte so gerne Kinder, anders als Grace, die nie welche wollte, dass es mich fast umgebracht hat, als ich zunächst nicht schwanger wurde, aber Grace wohl.«
    »Weil sie wieder scheinbar mühelos etwas bekam, was du dir voller Sehnsucht wünschtest.«
    »Als wir Teenager waren, hielt unser Vater uns einen

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