Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00DJ0I366 EBOK

B00DJ0I366 EBOK

Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
Plötzlich wird Sam klar, wie lange sie nicht in die Natur gekommen ist. Spontan biegt sie nach Kösfeld ab. Hat sie nicht hier mit Robert Runkelrüben stibitzt, die sie aushöhlten und Kerzen hineinstellten, nachdem sie böse Fratzen hineingeschnitzt hatten?
    Seit Coburg nicht mehr Zonenrandgebiet ist, weil es keine Zone mehr gibt, ist der Verkehr angewachsen. Es wurde Straße um Straße gebaut, schließlich eine Autobahn, die Hügel durchschneidet, wo Sam als Kind Drachen steigen ließ. Herbstwanderungen auf der Senningshöhe kommen ihr in den Sinn, Nikolaj, ein Kindergartenkind, der nicht mehr laufen wollte und lauthals schrie, sogar noch, als Robert ihn auf seinen Schultern trug. Igor, bereits damals mit mürrischem Gesicht, ein Achtjähriger mit strähnigem Haar, der in seiner eigenen Welt lebte, wenig sprach, Augen wie ein Staubsauger hatte, alles damit aufsaugte und sich alles merkte.
    Außer Atem erreicht Sam Meeder. Mit einem Mal kommen Zweifel hoch. Wohnt Hallstein noch hier? Ist er zu Hause? Was soll sie ihm sagen?
    Wird sich alles finden, macht Sam sich Mut. Sie ist nervös, das T-Shirt klebt ihr verschwitzt am Leib. Sam schiebt das Fahrrad bis zur Kirche, um Zeit zu gewinnen. Schließlich steht sie vor dem Haus Nr. 2.
    Sie stellt das Rad ab und geht die paar Treppen zur Haustür hinauf.
    ›Hallstein‹, steht auf dem Klingelschild. Instinktiv greift Sam nach den Papieren, die sie in der Handtasche hat. Sie sieht ihrem Finger dabei zu, wie er auf die Klingel drückt.
    Ihr Blick schweift in den Vorgarten. Er sieht verwahrlost aus, Löwenzahn leuchtet im hohen Gras, ein paar zerrupfte Narzissen behaupten sich am Zaun, Sonnenflecken tanzen über verwitterte Steinplatten.
    Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis sie Schritte im Haus hört. Dann wird die Tür aufgerissen.
    Ein Mann steht im Türrahmen, er ist ziemlich groß, passt gerade unter den Querbalken. Das braune Haar sitzt zerdrückt auf seinem Kopf, der Sweater ist zerknittert, die Jeans an den Knien voller Flecken.
    Sam starrt ihn an. Er starrt zurück. Seine Augen sind grün und leuchten wie eine Glasmurmel, die man vor eine Kerzenflamme hält.
    »Ich habe Sie aufgeweckt«, sagt Sam endlich.
    »Kann man so sagen.«
    Er lächelt, und dabei bilden sich Grübchen in seinen Wangen.
    Shit, denkt Sam. Die Zunge klebt ihr am Gaumen. Das Schweigen dehnt sich.
    »Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?«, fragt er endlich.
    »Sind Sie Herr Hallstein?« Sam kommt sich selten dämlich vor. Der Typ vor ihr muss etwa in ihrem Alter sein. Hundertprozentig hat er im Jahr 1983 keine Texte übersetzt und keine Rechnungen geschrieben, allenfalls in die Windeln gekackt.
    »Ja.«
    »Gregor Hallstein?« Sie weiß nicht, was sie sonst sagen soll.
    »Sie suchen meinen Vater?«
    »Gregor Hallstein ist Ihr Vater?«
    Er fährt sich durchs Haar. Nicht wie Nikolaj es tut, wenn er seine Ponyfransen mit einer temperamentvollen Geste zurückwirft. Sondern er rührt auf seinem Kopf herum, als habe er etwas Winziges tief unten an seinen Haarwurzeln verloren und sei nun verzweifelt auf der Suche danach.
    »Mein Vater ist leider nicht mehr am Leben.«
    »Oh. Das tut mir leid.«
    Zwei Frauen gehen den Bürgersteig entlang, grüßen mit falschem Lächeln.
    »Hören Sie, eventuell kann ich Ihnen ja weiterhelfen, aber wie, das sollten wir nicht vor der Tür besprechen.« Vielsagend hebt er die Augenbrauen.
    Sam folgt ihm ins halbdunkle Haus.
    »Mein Vater ist erst vor Kurzem gestorben. Ich hatte noch keine Zeit, hier Ordnung zu schaffen«, entschuldigt er sich.
    »Ich«, fängt Sam an. »Ich … also … ich wusste nicht.«
    »Schon gut.« Er führt Sam in ein Wohnzimmer. Sie mustert die beigebraune Couchgarnitur, den mit Büchern, leeren Bierflaschen, Pizzakartons und zerlesenen Magazinen überladenen Tisch in der Mitte. Ein uralter Fernseher mit Zimmerantenne steht in der Ecke. Auch darauf türmen sich Bücher, obenauf versucht eine halbleere Pralinenschachtel, das Gleichgewicht zu halten. Die Vorhänge sind von einem undefinierbaren Grün. Der Teppich auch.
    »Sie sehen aus, als würden Sie dieses Zimmer im Geist neu einrichten!« Er lässt sich aufs Sofa fallen, weist einladend auf den Sessel.
    Sie muss minutenlang einfach dagestanden haben, während sie das Ambiente analysierte. Sam wird rot.
    »Das ist mein Job. Ich bin Textildesignerin.«
    »Sagen Sie mir jetzt nicht, mein Vater hätte bei Ihnen eine neue Wohnungseinrichtung in Auftrag gegeben.«
    Sam wird klar, dass er das wirklich

Weitere Kostenlose Bücher