Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00DJ0I366 EBOK

B00DJ0I366 EBOK

Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
des Labels, für das Sam arbeitet.
    Liebe Frau May,
    danke für Ihre Entwürfe.
    Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns nicht entscheiden konnten, Ihre Ideen in die engere Wahl zu ziehen. Es steht Ihnen selbstverständlich frei, sich mit neuen Entwürfen für die Frühjahrskollektion 2014 zu bewerben.
    Beste Grüße,
    Simona Stein

    Sam lehnt sich zurück. In ihren Ohren braust es. Das ist ihr noch nie passiert. Dass das Label ihre Sachen bereits in der ersten Runde ablehnt. Noch nie. Üblicherweise fordern sie, umzuarbeiten oder zu ergänzen, diskutieren über Kleinigkeiten. Aber sie lehnen nichts ab. Nicht so früh in der Entwicklungsphase. Wie sie es auch dreht und wendet: Sie ist aus dem Rennen. Dabei hat sie sogar auf eine Festanstellung gehofft.
    Lange sitzt sie so da, sieht zu, wie der Abend kommt, keine spektakuläre Dunkelheit, einfach eine graue Dämmerung, die immer schwärzer wird. Jerrys Umschlag mit den Aufnahmen fällt ihr ein, aber sie ist zu müde, fühlt sich zu leer, um das Kuvert auch nur zu öffnen. Sie nimmt es, betastet es von allen Seiten, bevor sie es in ihre Handtasche stopft.
    Das Telefon reißt sie aus ihrer Betäubung.
    Sam nimmt den Hörer. »Ja?«
    »Spricht dort Samantha May? Hier ist Roman Hallstein.«
    Sam will etwas sagen, aber es funktioniert nicht.
    »Hallo?«, kommt Romans Stimme aus dem Telefon. »Samantha?«
    Kaum jemand spricht sie so an. Sam ist stets nur Sam.
    »Ja«, krächzt sie. »Ich bin am Apparat.«
    »Ich wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht.«
    Woher haben Sie meine Nummer?, will Sam fragen, aber natürlich steht sie im Telefonbuch.
    »Ich – es geht.«
    »Ich bin gerade zufällig in Coburg. Haben Sie Lust, mit mir etwas trinken zu gehen?«
    Sam schüttelt den Kopf. Ihr ist nicht danach. Sie hat nichts Schönes anzuziehen, und ihre Frisur ist ein Albtraum. Ihre Großmutter liegt mit einem Schlaganfall in der Klinik, ihr Vater steigt zu blonden Frauen in rote Autos und ihre Mutter schickt Fliedersträuße. Sie hat eine Tante, die vor 30 Jahren in Griechenland von einer Klippe stürzte, und eine Familie, die diese Tante totschwieg. Ein dicker Auftrag, mit dem sie eigentlich gerechnet hat, ist ihr zwischen den Fingern zerronnen.
    »Gut«, hört Sam sich sagen. »In einer halben Stunde? Im Goldenen Kreuz?«
    Sie legt auf. Ihre Wangen fühlen sich warm an. Ihr Herz schlägt so schnell und heftig gegen ihre Rippen, dass sie aufspringen und ein wenig im Raum auf und ab gehen muss. Dabei fällt ihr Blick auf den Fliederstrauß. Kurz entschlossen schnappt sie sich die ganze Vase und trägt sie nach unten, wo sie die Zweige in die Biotonne kippt.

20
    Die meiste Zeit hält Blanca die Augen geschlossen. Es ist ihr lieber so. Ihr linker Arm fühlt sich taub an. Probeweise bewegt sie ihn. Es gelingt einigermaßen. Auch ihre Beine reagieren, wenn sie sie anzieht und streckt. Nach solchen Experimenten ist sie immer sehr müde. Ihr Geist gleitet dann in einen Zustand zwischen Wachen und Schlafen.
    Die Ärzte haben gesagt, sie hatte einen Schlaganfall und riesiges Glück, weil sie sofort behandelt wurde. Wenn sie den Schlaganfall erlitten hätte, als sie allein zu Hause war, hätte sie vielleicht nicht überlebt. Sam war bei ihr. Deshalb ist noch mal alles gut gegangen.
    Sam.
    Sam, die Blanca immer so sehr an Grace erinnert.
    Ach, und Victoria. Dieses arme, dumme Mädchen.
    Und Grace. Mein Gott, wie sie Grace vermisst. Wie der Schmerz nach so vielen Jahren noch immer da ist, sie aus dem Hinterhalt überfällt.
    Sam redete von einer Übersetzung. Isaac hätte eine Übersetzung in Auftrag gegeben. Blanca liegt bewegungslos im Bett. Das Licht ist trist und grau, doch das macht ihr nichts aus. Sie ist froh, dass es regnet, so muss sich niemand auf den Festungsberg bequemen und ihren Garten gießen. Was zweifellos Sam tun würde. Jedenfalls nicht Victoria.
    Victoria wollte nie mehr etwas mit dem Haus zu tun haben. Sie hat es leergeräumt, denkt Blanca, von Grace’ Sachen genommen, was sie brauchte, und das war es. Ihre Tochter Victoria war schon immer sehr zielstrebig. Sehr nüchtern. Bisweilen fragt sich Blanca, ob Victoria diese selbstsüchtige Seite weniger stark ausgebildet hätte, wenn Isaac nicht so auf Grace fixiert gewesen wäre. Wenn er neben Grace’ künstlerischer Begabung anerkannt hätte, was Victoria auszeichnet: Organisationstalent und Beharrlichkeit … Victoria litt unter den Starallüren ihrer älteren Schwester. Blanca tat alles, um auszugleichen. Die

Weitere Kostenlose Bücher