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betrachtet Romans Gesicht. Da ist stets ein Ausdruck sanfter Konfusion in seinem Blick. Es muss an ihrem Gerede liegen. An der Art, wie sie erzählt, wie sie versucht, alles zusammenzutragen, was sie selbst weiß, und wie sie die Fäden derjenigen Kapitel anknüpft, von denen sie nur ahnt.
»Ihr Großvater starb an einem Herzanfall, ziemlich genau ein Jahr nach dem Tod seiner ältesten Tochter?« Roman nimmt einen Schluck Kreuztrunk.
»Eben.« Sams Riesling ist warm geworden. »Und zwar kurz nachdem er die Rechnung bekommen hat. Von Ihrem Vater. Die Rechnung war datiert auf den 7. März. Am 13. März starb er.«
»So erschreckend hoch war der Betrag gar nicht«, wendet Roman ein.
»Darum geht es nicht. Nicht die Rechnung hat ihn aus der Bahn geworfen, sondern der Inhalt der Polizeiprotokolle!« Sam trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. »Wenn ich nur wüsste, wie er überhaupt auf die Idee kam, diese Protokolle einzusehen.«
»Wahrscheinlich musste er dazu einen Anwalt einschalten. Denn die Polizei rückt nicht ohne Weiteres ihre Interna raus. Schon gar nicht über Landesgrenzen.«
»Aber es ging um den Tod seiner Tochter.«
»Hat Ihre Familie einen Anwalt ihres Vertrauens?«
Sam zuckt die Achseln. »Nicht, dass ich wüsste. Ich muss Blanca fragen.« Tränen schießen ihr in die Augen.
Roman greift über den Tisch und berührt flüchtig ihre Hand. Sam sieht ihn an. Seine Augen erwidern ihren Blick ruhig. Sam wird nervös, beginnt, in ihrer Handtasche zu graben.
Jerrys Fotos!
Sie legt den Umschlag auf den Tisch, schlitzt ihn mit der Gabel auf.
»Hier!« Sie legt den stark vergrößerten Abzug des Fotos auf den Tisch. »Jetzt ist sie keine Unbekannte mehr.« Sie deutet auf Grace. »Inzwischen könnte man das Bild mit ›zwei Schwestern‹ untertiteln. Aber ich kann es ohnehin nicht für die Ausstellung verwenden.«
Romans schlanke Finger greifen nach dem Foto. »Wer ist der Mann im Hintergrund?«
»Ich weiß es nicht.«
»Fragen Sie Ihre Mutter?«
»Sie dreht durch. Sie wollte mir schon nicht sagen, dass meine Tante auf dem Bild ist.«
»Also, womöglich ist der distinguierte Herr Ihr Onkel?«
Wenn er herumalbern, einen ironischen Tonfall an den Tag legen würde, Sam würde sofort aufstehen und gehen. Doch Roman klingt ganz ernst. Sam wird klar, dass es da noch einen Onkel geben könnte. Victoria, die Jüngere, war 1982 bereits verheiratet, hatte ein Kind. Vielleicht … Sams Gedanken überschlagen sich. Sie sieht die anderen Abzüge durch. Auf einem sind Ausschnitte vergrößert: Victorias Gesicht, die Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln hochgezogen, als hätte jemand sie aufgefordert, ein klein wenig freundlicher in die Kamera zu schauen. Und Grace. Ein angedeutetes Lächeln, tiefe, dunkle Augen sind ernst auf den Fotografen gerichtet.
»Es gibt zwei Unbekannte«, sagt Roman. »Einen Mann im Hintergrund, und den Fotografen. Oder die Fotografin.«
»Die beiden stehen da wie Pik 7.«
»Und der Fotograf hat den Mann im Hintergrund nicht bemerkt. Ein Profi hätte die Damen anders aufgestellt und auf seinen eigenen Schatten aufgepasst. Der soll ja nicht ins Bild.« Roman tippt auf die Felsen im Hintergrund. »Tolle Landschaft, dort auf dem Peloponnes.«
Sam hört nicht mehr richtig zu. Sie studiert das Gesicht des Mannes im Halbschatten des Wagens. Er hat lange, ebenmäßige Züge. Sogar die Bügelfalte seiner Hose kommt in der Vergrößerung heraus. »Wie sollen wir je herausfinden, wer das ist?«
»Wenn Sie mich lassen – ich habe Wege.«
»Was für Wege?«
»Journalistische Wege.«
Romans Hände greifen nach Sams Gesicht. Die langen Finger umschließen ihre Wangen. Sie sieht seine grünen Augen auf sich zukommen, zwei leuchtende, strahlende Monde, über die jemand Glanzpapier geklebt hat. Dann küsst er sie zart auf die Stirn.
Die Berührung seiner Lippen schiebt alles andere weg: die Angst um Blanca, das Rätsel um Grace und das große Schweigen. Sie sitzt unbeweglich da, in dem schummrigen Licht der Gaststube, die sich mittlerweile beinahe geleert hat. Drüben an der Theke halten die Angestellten einen halblauten Plausch, während Sams Welt sich in immer rasanteren Umdrehungen von ihrem Fixpunkt entfernt.
Roman lässt sie los. »Wenn Sie mich lassen«, wiederholt er, »kümmere ich mich um die Identität des Mannes.«
»Und ich will wissen, ob es mehr Papiere gibt. Solche, die mein Großvater nicht ausgegraben hat.«
Warum kann sie umschalten, von dieser warmen,
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