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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Kind das Leben schwer machte. Und seine Söhne, sogar den störrischen Igor, der sich nie in die Karten schauen lässt. Bereits als kleiner Junge hat er sein eigenes Ding gemacht. Robert, der mit aller Kraft für seine Firma gekämpft hat und immer noch nicht glauben kann, dass letztlich alles gut gegangen ist. Er musste heute außerplanmäßig ins Büro, fuhr von Ofenstallers mit dem Taxi weg, und eine halbe Stunde später kam auch schon Sams Anruf.
    Dass ich meine Kinder habe, das ist das größte, denkt Victoria. Sie betrachtet ihr Gesicht im Spiegel. Für meine Kinder muss ich den Alkohol aufgeben. Für meine Kinder. Sie denkt an Nikolaj und seine neue Freundin. Wenn sie Kinder haben, wird Victoria Großmutter.
    Sie hat immer gedacht, mit Isaacs Tod wäre alles vorbei. Alles geschafft. Sie hat alle Papiere vernichtet. Bloß diese dämliche Übersetzung hat sie nicht gefunden. Sie hat monatelang danach gesucht, bevor sie sich irgendwann eine Erklärung zurechtlegte. Ihr Vater musste gelogen haben an jenem Freitagabend. Und Victoria beschloss für sich, dass es gar keine Übersetzung gab. Dass Isaac ein Druckmittel erfunden hatte.
    Falsch, denkt Victoria jetzt. Es gibt diese Übersetzung, und Sam hat sie irgendwo aufgestöbert.

18
    Während der April in den Mai übergeht, verlebt Sam die Tage in einer Art Betäubung. Sie verbringt soviel Zeit wie möglich bei Blanca. Mit ihrer Mutter spricht sie kein Wort.
    Blanca liegt im Bett, sediert, ausgeschaltet. Die Ärzte behaupten, es sehe gut aus. Was immer das heißt.
    Sam ruft Nikolaj an, berichtet von Blancas Zustand. Sie erwähnt Grace mit keiner Silbe, deutet jedoch an, dass sie sich treffen müssen. Möglichst bald. Nikolaj hat gerade einen Patienten und kann nicht sprechen. Er verspricht, zurückzurufen. Anschließend ruft Sam bei Igor an und hinterlässt eine knappe Nachricht auf seinem Anrufbeantworter. Igor wird sie sowieso nicht zurückrufen. Als Letztes telefoniert Sam mit Blancas Nachbarin und bittet sie, Lucienne zu versorgen.
    Gegen fünf am Nachmittag, knapp 48 Stunden nach dem Schlaganfall, kommt Robert in die Klinik. Sam fällt ihm um den Hals.
    »Kindchen«, sagt Robert. Das hat er seit Jahr und Tag nicht mehr gesagt. »Was für ein Schock!«
    Sam hält sich an Robert fest, drückt das Gesicht in den kühlen Stoff seines Jacketts. Als sie ihn loslässt, sitzt seine Krawatte schief. Verlegen rückt sie daran herum. Die Krawatte ist grau mit schwarzen und roten und dunkelgrauen Streifen.
    »Lass das.« Robert lächelt.
    Sie setzen sich nebeneinander an Blancas Bett. Blanca schläft.
    »Gut, dass sie ein Einzelzimmer hat«, sagt Robert.
    Sam nickt. Sie schafft es nicht, ihren Vater nach der Übersetzung zu fragen, nach Grace. Nicht hier, an Blancas Bett. Man kann nie sicher sein, was ein Schlafender hört. Obwohl sie nichts mehr will, als Roberts Part zu hören. Dennoch bleibt sie still sitzen, die Augen auf Blancas Gesicht gerichtet. Als wenn Blanca das einzig Unverrückbare in ihrem Leben ist. Eine Sicherheit, die sie nie aufgeben muss. Sam möchte weinen, aber sie hat keine Kraft dazu. Außerdem verbietet sie es sich, vor Blanca zu weinen. Nicht in dem fragilen Zustand, in dem Blanca schwebt. Ihr Magen krampft sich zusammen. Sie hat kaum etwas gegessen außer einem halben Sandwich, das sie aus einem Automaten gezogen hat. Ihr Hals ist furchtbar trocken. Das Haar klebt strähnig an ihren Wangen.
    Sie beobachtet ihren Vater, der ganz still da sitzt, die Hände ineinander verkrampft, den Blick auf Blancas Bett gerichtet, nicht auf ihr Gesicht. Robert sieht gut aus, das Sorgenvolle, Deprimierte, das ihn so lange umgeben hat, ist endlich ausgelöscht.
    »Ich kann nicht lange bleiben«, murmelt Robert. »Ich muss zurück ins Büro. Aber ich wollte unbedingt nach euch sehen.«
    Nach euch. Als würde ich selbst in diesem Krankenhaus liegen, denkt Sam. Was nicht abwegig ist. Sie fühlt sich schmutzig, verschwitzt und müde.
    »Soll ich dich heimfahren?« Robert sieht Sam nicht an. »Möchtest du nicht nach Hause? Dich frischmachen? Ausruhen?«
    Sam schüttelt den Kopf.
    »Habe ich mir gedacht.« Er steht auf, streicht über sein Jackett. Dann beugt er sich über Sam und küsst sie. »Übernimm dich nicht!«
    Sam schüttelt den Kopf. Sie greift nach seiner Hand, drückt sie an ihre Wange, lässt los. Robert sagt leise: »Wiedersehen, Blanca!«, und geht zur Tür. Sam sieht, wie seine Hand die Klinke hinunterdrückt.
    Mit einem leisen PUFF schließt sich die Tür

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