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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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verächtlich. Dabei war sie von jeher vorsichtig. Es gibt nur ein einziges autorisiertes Pressefoto von ihr. Selbstverständlich mit Hut. Sie geht nie ohne Hut auf die Straße. Sie hat viel an sich verändert und über lange Jahre sogar in der Öffentlichkeit eine Sonnenbrille getragen. Mit dem Alter hat sie weniger Angst, erkannt zu werden. Aber man kann nie wissen.

42
    Luna hat sich beharrlich geweigert, mit nach Venedig zu kommen.
    »Zu viel zu tun!« Darauf besteht sie, als Roman sie im Auto heimbringt. »Haltet mich auf dem Laufenden!«
    Sam sitzt schweigend auf dem Beifahrersitz, während Roman die Seidmannsdorfer Straße hinauffährt. Es ist kühl. Sie fröstelt. Was soll sie in Venedig? Eine Ausstellung ansehen, vor der sie Angst hat, aus Gründen, die sie nicht versteht? Von einer Künstlerin, deren Namen auf einer Karte steht, die ein Unbekannter unter ihrer Tür durchgeschoben hat?
    »Was soll ich Blanca sagen?«, fragt Sam. Ihre Stimme klingt rostig in der Stille des Wagens.
    »Die Wahrheit?«, schlägt Roman vor. Er sieht konzentriert auf die Straße. Ein Polizeiwagen mit Blaulicht, aber ohne Martinshorn jagt an ihnen vorbei.
    »Was ist die Wahrheit?«
    »Eine Interpretation.«
    Sam lacht auf. »Danke. Das hilft mir jetzt wirklich weiter.« Immer noch fühlt sie sich wie hinter Glas. Sie sieht die Dinge nah und doch fern, verzerrt und seltsam unvertraut.
    »Es ist doch so, Sam!« Er nimmt eine Hand vom Steuer und legt sie auf Sams. Seine Finger sind warm und sehnig. »Zwei Menschen machen gemeinsam eine Erfahrung, und daraus werden zwei Geschichten. Deswegen gibt es Journalismus. Deswegen werden Romane geschrieben. Eine riesige Branche lebt davon, dass es die Wahrheit nicht gibt.«
    »Ich sehe meine Geschichte nicht als passendes Thema für eine Zeitungsstory.«
    »Man muss sich irgendwann entscheiden. Will man etwas wirklich wissen? Um ein Geheimnis zu lüften, braucht es Kommunikation. Man gibt etwas von sich preis – und erfährt etwas Neues.«
    »Ist das eine kommunikationswissenschaftliche Theorie?«
    »Nein. Eine Lebenserfahrung von Roman Hallstein.«
    »Was soll ich preisgeben? Die Eckdaten? Dass John Carrick meine Tante kannte, in sie verliebt war? Dass jemand eine mit einem einzigen Satz beschriebene Karte unter meiner Tür durchgeschoben hat? Dass meine Familie mein Leben lang meine Loyalität einforderte, während sie selbst mit ziemlich wichtigen Dingen hinter dem Berg hielt?«
    »Es gibt letztlich zwei Probleme, nicht wahr?« Roman hält vor Blancas Haus und stellt den Motor ab. »Das eine ist die Frage, was da gerade passiert. Du hast eine Entdeckung gemacht, die die Vergangenheit betrifft, dröselst diese auf und stößt dabei auf neue Entwicklungen.«
    Sam schwirrt der Kopf.
    »Sagen wir so: Grace starb, und 30 Jahre später taucht John Carrick auf sowie eine Karte unbekannter Herkunft, die dir nicht geheuer ist. Das zweite Problem ist ein ganz anderes, Sam: Deine Familie dominiert dich. Du willst da raus, aber du gibst nicht zu, dass du es willst. Deswegen findest du keinen Weg.«
    »Danke für die Belehrung.« Was für ein Quatsch. Sie reibt sich die Stirn. Was geht ihn das eigentlich an?
    »He!« Er dreht sich zu Sam. Seine Augen sind im Halbdunkel schwarz und reflektieren das Licht der Straßenlampe. »Nicht böse gemeint. Nur eine Analyse.«
    »Ich brauche keinen Analytiker«, flüstert Sam. »Eher jemanden, der mich liebt.«
    Roman beugt sich zu ihr herunter. Er küsst ihre Stirn, ihre Lider, ihre Wangen. Dann vereinigen sich ihre Lippen. Er schmeckt nach Alkohol, nach Nervosität und Erregung.
    Sie erwidert den Kuss voller Sehnsucht. Bis etwas auf das Autodach schlägt.
    Entsetzt fahren sie auseinander.
    »Was war das?«, keucht Sam. Schlagartig ist sie nüchtern.
    Roman starrt derangiert auf die Straße. »Als wenn etwas …«
    »Könnte ein Zweig gewesen sein. Ein Ast.« Sam klammert sich an diese logische Erklärung.
    »Vielleicht. Hier sind lauter Kastanienbäume.« Roman windet sich auf seinem Sitz, sucht die Straße ab.
    »Da sind noch keine Kastanien dran!« Sam hat Angst. Sie will weg aus der stillen Straße, entweder in Blancas Haus, oder einfach mit Roman davonfahren. »Wir könnten mit dem Wagen nach Venedig aufbrechen«, flüstert sie.
    »Keine gute Idee.« Er klopft auf das Lenkrad. »Das schafft die alte Pistensau bestimmt nicht mehr. Spätestens am Brenner bricht sie zusammen.« Er sieht sich um. »Alles ruhig.«
    »Was soll schon sein!« Sam lehnt den Kopf

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