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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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gesagt, immerhin verdient er eine Menge Geld mit ihrer Kunst.
    Er kaschiert seine Zudringlichkeit als altmodische Devotheit, aber Eleni hat ein Gefühl für die Zwischentöne. Als eine Frau, die sich zwischen drei Sprachen bewegt, kennt sie sich aus mit semantischen Verzweigungen.
    Kann Loredan etwas herausgefunden haben?
    Und wie sollte er das geschafft haben?, antwortet sie sich selbst mit einer Gegenfrage.
    Sie hat einen Teil ihres Lebens weggeworfen. Nicht freiwillig. Wie auch! Sie lacht rau. Der Kellner, Sandro, den sie seit Jahr und Tag kennt, kommt an ihren Tisch.
    »Una grappa«, haucht Eleni.
    Einen Schnaps hat sie jetzt wirklich nötig.
    Nein, sie hat ihr Leben nicht aus freien Stücken weggegeben, ihr blieb keine Zeit, nicht einmal eine Sekunde, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Die Katastrophe brach herein, zuerst in der Liebe, dann in ihrem Körper, schließlich verdichtete sie sich Wochen später zu Worten. Eleni traut Worten nicht mehr, sie hält sich lieber an Farben und Formen, die sie auf Leinwände bannen kann. Umso schlimmer, dass es schlichte Worte waren, die sich zu einem heftigen Streit auswuchsen. Streit ist nichts Besonderes im Leben von Menschen, insbesondere nicht im Leben von Familien. Streit, das weiß Eleni, ist der fruchtbare Boden, auf dem die Entwicklung der Art wie auch das individuelle Weiterkommen gedeihen, wenngleich die wenigsten Menschen das einsehen wollen. Die meisten Zeitgenossen machen auf Harmonie, wollen unbedingt eine elegante Fassade, um die Kämpfe lieber im Inneren ihrer mondänen Selbstinszenierungsschlösser auszutragen. Aber dort sind es keine geistreichen Schlagabtausche mehr, an denen man wächst, sondern rüpelhafte Zankereien, Zoff, in dem die Wut der Zurückgesetzten sprüht.
    Der Streit, an den Eleni denkt, war von vornherein auf den Tod fokussiert. Sie seufzt. Vor 30 Jahren war sie noch jung. Sie war verführbar. Sie sehnte sich nach Freiheit, die es nicht gab. Sie war betrogen worden und verletzt. Sie war voller Trauer.
    Halt!, kommandiert sie ihre Gedanken. Alles dumme Ausreden. Ich war schlichtweg nicht imstande, mit der Situation umzugehen.
    Anfang der 80er ist sie zum ersten Mal in eine Lage geraten, aus der sie niemand mehr herausboxte. Sie musste durch. Eine Schwangerschaft kann man nicht beiseitelegen und irgendwann auf sie zurückkommen. Abtreibung war damals ein Problem. Ihre Eltern, konservativ bis in die Knochen, hätten ihr eine Reise nach Holland nicht finanziert.
    Und jetzt hat sie den Salat.
    Der Kellner bringt ihr den Grappa. Sie liebt das Aroma, das zarte Brennen, wenn sie ihn in kleinen Schlucken trinkt. Sie vergöttert die feinen Kelche, in denen der Schnaps hierzulande serviert wird. Italien weiß zu leben, dieses Land mag in politischen Krisen verfangen sein, aber deswegen ist es keineswegs dem Untergang geweiht, denkt Eleni. Ein Land mit einer solchen kulturellen Kraft! Wie Griechenland, findet sie. Griechenland ist ihre Heimat. Ihre wahre Heimat. Wo sie, die Todgeweihte, neu geboren wurde.
    Wenn sie daran denkt, wie elend und einsam sie sich gefühlt hat, als ledige Mutter in einer verknöcherten Umgebung, in der jeder andere Pläne mit ihr hatte. Am schlimmsten ihr Vater. Er war nicht abzubringen von seinen Auffassungen. Sie sollte das Kind bekommen, dann würde man sehen. Sie könnte es zur Adoption freigeben, das würde ihrer Karriere nicht schaden. Damit war wiederum ihre Mutter nicht einverstanden. Eleni selbst auch nicht mehr, nicht in jenem Moment, als sie das Baby in den Armen hielt. Da entstand in Windeseile eine Bindung, der sie nicht gewachsen war.
    Die Touristen auf dem Markusplatz schießen Fotos, füttern Tauben, staunen die Basilika an, schieben sich aneinander vorbei, diskutieren Museumsbesuche und die Preise für ein Eis im Florian. In vielen Sprachen. Eleni sitzt entspannt da und hört zu. Niemand erkennt die gefeierte Künstlerin, deren Ausstellung gegenwärtig im Peggy-Guggenheim-Museum zu sehen ist. Damit lebt Eleni gut. Sie will nicht prominent sein wie ein TV-Sternchen, das auf der Straße um Autogramme gebeten wird oder Fanseiten im Internet unterhält. Sie will ein ausreichendes Maß an Berühmtheit, das ihr ein Leben in gelassener Sättigung ermöglicht. Medikamente gegen die Schmerzen, ein bequemes Hotel mit solidem Zimmerservice, Netzzugang für ihre geheime Sucht, das Internet-Backgammon-Spiel.
    Ausgerechnet jetzt kommt ihr Loredan so besonders ehrerbietig vor. Fast hündisch, denkt Eleni

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