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Griechin?«, staunt Luna.
Roman liest konzentriert weiter. »Eleni Tsiadis … blablabla … widmet sich inzwischen fast ausschließlich der Acrylmalerei … blablabla … abstrakte, auf einem Hell-Dunkel-Kontrast basierende Farbenspiele …«
In Sams Ohren rauscht alles. Sie muss Blanca anrufen, dass es spät wird. Hastig nimmt sie einen Schluck Caipirinha. Vielleicht kennt Blanca diese Eleni sogar. Oder ihre Bilder. Ob Victoria je von ihr gehört hat?
Luna stupst sie an. Irritiert sieht Sam auf. Roman hält ihr sein Smartphone hin.
»Eleni Tsiadis’ Bilder.«
Sam nimmt das Telefon und klickt durch eine ganze Galerie von Gemälden. Die Bilder sind ihr vage vertraut. Die Malerei ist nicht wie Victorias, sie hat etwas Tieferes, Beunruhigendes, sogar in der schlechten Auflösung auf einem Handy-Bildschirm geht etwas Subtiles von ihnen aus, eine Kraft, die den Betrachter in einen Abgrund zu saugen scheint. Sam legt das Telefon weg. In ihrem Kopf zieht Nebel auf. In ihren Ohren saust es. Die Musik im Lokal wird plötzlich lauter, bedrängender. Dimmt jemand das Licht oder warum kommt ihr alles auf einmal dunkler vor?
»Sam?« Luna berührt sacht ihre Schulter.
Roman surft wieder durchs Netz. »Hier steht, dass Eleni Tsiadis zwar oft ausstellt; sie lässt sich jedoch ungern fotografieren und posiert, wenn sie bei öffentlichen Anlässen zu sehen ist, immer mit Hut.«
Sam nimmt ihm das Handy ab. Sie will sich auf etwas anderes konzentrieren als ihren eigenen Zustand, dem sie nicht mehr traut. »Stimmt«, sagt sie. Man sieht wenig vom Gesicht der Künstlerin, bis auf einen schön geschwungenen, stark geschminkten Mund. Der Rest ihres Gesichtes ist unter dem Schatten einer breiten Hutkrempe verborgen.
»Sie ist gebürtige Griechin«, bemerkt Luna. »Wir haben den halben Abend über die Griechenlandreise deiner Mutter gesprochen. Deine Tante ist in Griechenland umgekommen.«
»Griechenland ist sowieso in aller Munde. Krise, Krise, Krise!« Sam kippt ihren Drink in sich hinein. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Roman ihr einen halb belustigten, halb besorgten Blick zuwirft.
»Das ist vorübergehend. Die Griechen haben ganz andere Dinge überlebt.« Luna seufzt. »Sag mir: Wer hat dir diese Karte unter der Tür durchgesteckt?«
Sam zuckt die Achseln.
»Fragt lieber, warum!«, wendet Roman ein.
Sam zieht ihr Handy aus der Tasche. Sie wählt Blancas Kurzwahl.
»Sam, is it you?« Blanca klingt besorgt. »Is everything okay?«
»Ja, mehr oder weniger.« Nein, nichts ist okay, everything is a big mess, das Leben ein großer Scheißhaufen, will Sam eigentlich sagen, aber Destruktivität hilft ihr im Moment nicht weiter. Sie kann sich zusammenreißen, wenn es sein muss. Wie ihre Mutter. »Sagt dir der Name Eleni Tsiadis etwas?«
»Klingt nach einer Schriftstellerin, die kitschige Frauenromane schreibt.«
»Falsch getippt. Geh mal ins Netz. Sie ist Künstlerin.«
»Sam? Geht es dir wirklich gut?«
Sam weiß, dass sie lallt. Nicht sehr, sie spricht bloß anders als sonst, eine Spur verwaschener, und wenn sie aufsteht, wird das Lokal sich um sie drehen, und dann werden die Deko, die schön beschriebene Tafel mit der Speisekarte, die Lampenschirme, die Gläser, Teller und alles andere über ihr zusammenbrechen und sie unter sich begraben.
Ich lebe schon in einem Grab, denkt Sam. Im Grab der vielen Fragen.
»Komm nach Hause, Sam!«, bittet Blanca.
»Ich bin mit Luna und Roman unterwegs. Es ist alles in Ordnung.« Sie legt auf.
»Ruf deine Mutter an. Sie kennt jeden in der Branche«, schlägt Luna vor.
Sam wählt, automatisch, gehorsam.
»Sam? So spät?«, fragt Victoria indigniert.
»Guten Abend, Mutter. Nur auf ein Wort. Kennst du eine Künstlerin namens Eleni Tsiadis?«
In der Leitung ist es still. Eine ganze Weile.
»Ich kenne sie nicht persönlich, aber ich kenne ihre Bilder.«
»Wie findest du sie?« Sam will am liebsten schreien, will sagen, sie sind angsteinflößend, bedrohlich, in ihnen verbirgt sich der Tod. Dennoch hat sie sich trotz des ungewohnten Alkohols und der aufkeimenden Panik gut genug im Griff, um nicht durchzudrehen. Es wäre zu peinlich, vor allem vor Roman! Sie sehnt sich danach, allein zu sein und zu weinen. Das muss warten.
»Sie ist sicher sehr begabt und weiß sich zu vermarkten. Ich habe gelesen, sie hätte mit fünf Jahren Kinderlähmung gehabt. Seitdem geht sie am Stock.«
»Hast du sie je gesehen?«
»Nein. Ich habe auch nie eine Ausstellung von ihr besucht. Weißt
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