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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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über die Stirn. Eleni Tsiadis spricht deutsch. Sie spricht es so sicher, wie man nur seine Muttersprache beherrschen kann – mit allen Zwischentönen und Bildern.
    »Du hast dich auf ihn eingelassen, und jetzt musst du seine Abartigkeiten ausbaden. Nimm es nicht so schwer, letztlich ist er ungefährlich.«
    »Das habe ich auch immer gedacht.«
    »Und Hamburg?«
    Wasser rauscht. Sam hört das Klacken des Gehstocks.
    »Wetter zu schlecht.«
    Die Frau mit der verräucherten Stimme lacht schallend.
    Durch das Rauschen klingt die Unterhaltung gedämpft. Sam, deren Herz hämmert wie ein auf die Implosion zujagender Mechanismus, kann dennoch jedes Wort verstehen.
    »Ich habe dir eine Ausstellung in Hamburg angeboten. Nein, es musste Venedig sein.«
    Eleni seufzt lange und ausgiebig. »Ich möchte eine Weile aus allem raus, Hanna. Mal ein Jahr lang keine Ausstellung.«
    »Schlecht fürs Geschäft!«, unterbricht die andere.
    »Aber gut für die Kunst.«
    »Eleni, du bist über 60. Wie lange, glaubst du, rennen dir die Sammler noch hinterher? Gar nicht zu reden von den ganzen anderen Spinnern?«
    Eleni Tsiadis murmelt etwas, das Sam nicht versteht.
    »Scheibenhonig. Du hast …«
    Das rauschende Wasser übertönt die Gesprächsfetzen, und jetzt stimmt auch noch der Händetrockner dröhnend in den Lärm ein.
    »Mein lieber Scholli!« Die Stimme der Kettenraucherin dringt schließlich durch die Kakophonie. »Ich kann nicht behaupten, dass ich da ganz durchsteige. Ist das dein Ernst?«
    Sam macht sich ganz klein auf dem Klodeckel. Sie weiß nicht, was sie hier durchlebt, Täuschungen, Wahnvorstellungen, Seemannsgarn. Venedig ist die Stadt der Seefahrer. Nur zu verständlich, wenn hier Schrullen gedeihen, für die es anderswo keinen Vergleich gibt.
    »Warum nur, Eleni?«
    Schlagartig verstummt der Händetrockner. Verkrampft sitzt Sam da, voller Panik, nur kein Geräusch zu machen.
    »Hanna, du bist meine beste Freundin.«
    »Ja! Das versteht sich von selbst. Aber Vernichtung ist ein großes Wort.«
    Es dauert eine Weile, bis die Künstlerin antwortet. »Das ist wahr. Ich muss es also verdammt geschickt anstellen, wenn ich stattdessen ihn drankriegen will. Und sollte …« Wieder dröhnt der Händetrockner los.
    »Dann?«
    Sams Hals ist ganz trocken. Sie muss husten, jetzt sofort. Mit aller Entschlossenheit, derer sie fähig ist, unterdrückt sie den Impuls. Doch Elenis Antwort versteht sie nicht. Was auch immer die beiden Frauen dort am Waschbecken besprechen, es geht an ihr vorbei. Sam ringt nach Luft. Sie muss hier raus. Ans Licht, weg aus diesem Waschraum, weg aus dem Museum. Lautlos steht Sam auf.
    »Eleni, ich bitte dich«, ruft die Roststimme in diesem Moment.
    Sam öffnet die Tür.
    Die beiden Frauen verstummen. Sam geht mit erhobenem Kopf an ihnen vorbei. Ihr Blick fällt auf ihr Spiegelbild, und dort begegnet ihr Blick dem von Eleni Tsiadis. Die Künstlerin hat den Hut ein klein wenig in den Nacken geschoben. In ihrer Hand hält sie einen Lippenstift, mit dem sie sich gerade nachschminkt. Sie erwidert Sams Blick aus dunklen Augen.
    Die andere Frau, die ihre orangeroten Locken mit einem Kamm zu bändigen versucht, blickt von einer zur anderen.
    »Good-bye, Mrs. Tsiadis«, presst Sam hervor. »Was really nice to meet you.«
    Sie flieht aus dem Raum. Durchpflügt das Museum auf der Suche nach Roman, aber es schlendern so viele Leute durch die Ausstellung, dass sie aufgibt. Stattdessen hastet sie die schmale Gasse Richtung Accademia entlang. Sie rempelt Touristen an, die ihr empört nachsehen, tritt einem Hund auf die Pfoten und schiebt ein paar Caféstühle einfach aus dem Weg.
    Blanca! Sie muss Blanca anrufen, Blanca muss mit ihr reden. Heute Nacht noch, wenn sie aus Venedig zurück ist. Sam wagt nicht zu Ende zu denken, was sich da andeutet. Weiß Blanca womöglich …?
    Sam stürmt die Accademiabrücke hinauf und lehnt sich weit über das hölzerne Geländer. Hunderte von Venedigbesuchern schießen hier Fotos vom Canal Grande, der Salutekirche und den unzähligen Gondeln, die gemächlich über das Wasser gleiten. Sam allerdings hat keinen Blick für die Schönheiten der Serenissima. Etwas Dunkles sitzt in ihr fest und schmerzt. Sie hat nicht einmal richtig Elenis Gesicht gesehen. Trägt sie deshalb diese bühnenreifen Hüte? Nur der Blick in ihre Augen …
    Sam will Blancas Stimme hören, um sich zu beruhigen, auf die Füße zu kommen, wenigstens um Roman suchen zu können. Er muss sie längst vermissen, es sei

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