Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00DJ0I366 EBOK

B00DJ0I366 EBOK

Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
kennenlernen? Es wäre mir ein Vergnügen.«
    »Kommen Sie.«
    Schweigend verlassen sie das Hotel. Auf der Straße schlägt Victoria den Weg zum Markt ein. Am Sonntag wirkt die Innenstadt wie ausgestorben. Das Wetter ist nicht allzu einladend; es könnte noch regnen.
    »Wie lange ist das jetzt her, dass wir uns zuletzt gesehen haben?«, beginnt John ein Gespräch.
    Victoria will zur Sache kommen, ihm zusetzen, ihre Chancen ausloten. Gleichzeitig ist ihr klar, dass sie Vorlauf braucht. Ihre Nervosität loswerden muss. Eine Fläche schaffen muss, auf der sie John Carrick richtig rannehmen kann.
    »30 Jahre.«
    »Wir sind alt geworden, Victoria.«
    »Ich fühle mich nicht alt.«
    »Es tut mir sehr leid, das mit Ihrer Schwester. Ich wusste nicht, was passiert war.«
    »Und wenn Sie es gewusst hätten? Hätte das etwas geändert?«
    »Was hätte es Ihrer Meinung nach ändern sollen?«
    Victoria gerät aus dem Rhythmus. »Sie haben Sam getroffen.«
    »Ja.«
    »Was sind Ihre Intentionen?«
    »Ich habe diesen Blogeintrag gelesen.«
    »Den was?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen: Text und Bild sind längst aus dem Netz genommen.«
    »Moment!« Sie gehen über den Markt. Ein paar Tauben fliegen dicht neben ihnen auf. »Welcher Blog?«
    John macht eine Pause. Schließlich seufzt er und sagt: »Na gut. Es ist ja üblicherweise so, dass die Wahrheit ans Licht drängt. Sams Freund hat einen Blog geschrieben, das Foto gepostet, das Kostas damals von uns gemacht hat, und die Geschichte einer Unbekannten erzählt, die Sam zum Verwechseln ähnlich sieht.«
    In Victoria wirbeln Panik und Ungläubigkeit.
    »Sam hat keinen Freund.«
    »Nein?«
    »Ralf hat mit ihr Schluss gemacht.«
    John schweigt.
    Victoria wendet sich ihm zu. Sie stehen zu Füßen des Prinz-Albert-Denkmals. Die Wolkendecke reißt auf, und ein paar Sonnenstrahlen spiegeln sich auf dem nassen Kopfsteinpflaster.
    »Sie hat wirklich einen Freund?«, fragt Victoria unsicher.
    »Wenn Sie es nicht wissen, tut es vermutlich nichts zur Sache!« John räuspert sich. »Sie ist durcheinander, weil sie an das Geheimnis ihrer Familie gestoßen ist und eifrig darauf aus ist, es zu lüften. Als hinge ihr Leben davon ab.«
    Amerikanisches Pathos, denkt Victoria verächtlich.
    »Weiß Sam … ?«
    »Nein.«
    »Sie haben ihr nichts gesagt?«
    »Ich konnte es nicht. Ich finde, die Familie sollte es ihr sagen.«
    Victoria schnaubt empört. »Dennoch haben Sie sich hier eingeschlichen und Schicksal gespielt.«
    »Nein. Ich sehe es anders. Es tut mir leid, dass Samantha … tja, dass sie mit solcher Wehmut nach der Wahrheit sucht. Wobei ich zugeben muss … auch ich sehnte mich nach Aufklärung. In jenem Frühling war ich bis zum Anschlag in Grace verliebt. Eine solche Leidenschaft lässt sich nicht komplett abschütteln! Sie mag mit den Jahren verblassen, aber etwas bleibt doch immer noch übrig.«
    Victoria schüttelt fassungslos den Kopf über so viel Ich-Bezogenheit. Als wenn eine drei Jahrzehnte alte Verliebtheit ihm das Recht gibt, in Victorias Familie herumzupfuschen. »Sie haben ja keine Vorstellung davon, was Sie hier für ein Fass aufgemacht haben!«
    »Ich habe Sam nichts über ihre … über Grace gesagt.«
    Victoria geht weiter. Der idyllische kleine Marktplatz mit seinen bunten, sauberen Fassaden scheint ihr nicht der richtige Ort, über all die schmutzige Wäsche nachzudenken, die John Carrick vermutlich zu Gesicht bekommen hat. Das alles ist so peinlich, so zerstörerisch. Sie hasst den Amerikaner mit einer Intensität, die sie erschüttert. Wie konnte er nur! Wie mochte ihm dermaßen das Feingefühl fehlen!
    »Warum haben Sie ihr die Fotos gezeigt?«
    John lässt sich Zeit mit der Antwort. Das Schweigen dehnt sich in die Länge, breitet sich wie Nebel in der Herrngasse aus, durch die sie Seite an Seite schreiten. Zwischen ihnen ist soviel Abstand, dass gut noch eine dritte Person mit ihnen gehen könnte. Victoria schießt der Gedanke durch den Kopf, dass Grace zwischen ihnen schlendert, die Qual genießend, die Victoria den Atem abdrückt.
    »Ich habe Grace die Fotos mitgegeben an unserem letzten gemeinsamen Tag«, fängt John schließlich an. »Wussten Sie das nicht?«
    »Sie haben die ganze Zeit fotografiert wie ein Wilder! Ich habe mir nicht mal etwas dabei gedacht. Ein Mann, der verrückt nach einer Frau ist. So was kommt ständig vor.«
    John lässt die verächtlich hervorgestoßenen Worte auf sich wirken. Sie überqueren die Straße. Auf dem Schlossplatz drückt sich

Weitere Kostenlose Bücher