B155 - Die Mafia schickte ihre Henker
möchte hierbleiben und auf ihn warten.«
»Er wird nicht kommen«, sagte Mike. »Dein Vater hat ihn in einer wichtigen geschäftlichen Angelegenheit weggeschickt. Er hat mich gebeten, dir zu sagen, daß er morgen abend wieder hier sein wird. Ausgerechnet mich muß er mit dieser Botschaft beauftragen! Obwohl er genau weiß, daß wir so gut wie verlobt sind.«
»Wenn du schon wieder davon anfängst, dann ist es wirklich besser, wenn du mich nach Hause bringst.«
Sie gingen die Treppe hinunter. Mrs. Jenkins sah nicht auf, als sie das Haus verließen. Die Indianerschlacht auf der Mattscheibe hatte eben ihren Höhepunkt erreicht.
Mike setzte sich hinter das Lenkrad. Er sah das schöne schwarzhaarige Mädchen neben sich, als sehe er sie zum letztenmal in seinem Leben. Als sei es ein Abschied für immer.
»Dein alter Herr wird toben, wenn er davon hört«, sagte er. Er grinste, als erwarte er eine Menge Spaß in den kommenden Stunden.
***
Ich saß immer noch mit Phil in unserem Office. Draußen war es längst dunkel geworden. Wir warteten auf Nachricht von Steve Dillaggio.
Detective Lieutenant Peabody, der den Mord an der alten Mrs. Bloomington untersuchte, hatte mir inzwischen das Ergebnis seiner Spurensicherung im Haus der Mrs. Jenkins und in ihrem Garten mitgeteilt. Das Ergebnis war genauso, wie ich es erwartet und befürchtet hatte: Jemand hatte sich viel Mühe gegeben, alle eventuellen Spuren zu beseitigen.
Peabodys Spezialisten fanden keinen Hinweis darauf, wer der Untermieter war, wie er hieß und wie er aussah. Sie fanden keine Papiere, keine Fotos und keine Kleider. Es schien, als sei er ausgezogen und habe alles, was an ihn erinnerte, mitgenommen.
Peabody beschloß seinen telefonischen Bericht mit der Frage: »Sind Sie auch wirklich sicher, Cotton, daß in diesem Zimmer in den letzten Wochen jemand gewohnt hat?«
Ich war sicher. Jetzt, nachdem ich wußte, daß jemand alle Spuren in diesem Zimmer und im Garten beseitigt hatte, war ich überzeugt, daß es sich bei dem verschwundenen Untermieter tatsächlich um den Mann handelte, der in der vergangenen Nacht von zwei Henkern der Mafia hingerichtet worden war. Um meinen ehemaligen Schulkameraden Giulio Campari.
Als das Telefon auf meinem Schreibtisch läutete, hoffte ich, daß es Steve Dillaggio war, um mir einen ersten Bericht zu geben. Aber es war Hoagy Morgan, ein alter Tagedieb und Säufer, der sich gelegentlich ein paar Dollar verdiente, indem er uns wichtige Informationen verriet, die er irgendwo in einer nächtlichen Straße oder in einem verkommenen Verbrecherlokal aufgeschnappt hatte.
Seine heisere Stimme war diesmal noch aufgeregter als sonst. Hoagy hatte immer Angst, daß seine Freunde von seinen Beziehungen zu mir erfahren würden. Was dann mit ihm geschah, war nicht schwer zu erraten. Polizeispitzel leben sehr gefährlich in New York.
»Wollen Sie etwas über den Mord an Giulio Campari wissen, Cotton?« flüsterte Hoagy. Er sprach so leise, als befürchte er, von einem in der Nähe Stehenden gehört zu werden.
»Ja«, sagte ich und schaltete das Tonbandgerät ein, um das Gespräch mitzuschneiden. Gleichzeitig griff Phil nach dem zweiten Hörer.
»Kennen Sie die alte Spelunke von ›Shanghai‹ Garwood?« fragte Hoagy.
»Ja«, sagte ich wieder.
»Sie steht leer«, flüsterte Hoagy.
»›Shanghai‹ wurde vor einigen Wochen erstochen. Ich werde dafür sorgen, daß die Hintertür aufsteht, wenn Sie kommen. In seinem Büro können wir ungestört reden.«
»Gut«, sagte ich. »Ich bin in einer halben Stunde dort.«
»Und lassen Sie sich um Gottes willen nicht sehen, Cotton! Wenn er erfährt, daß Sie mich besuchen, bin ich ein toter Mann!« flüsterte Hoagy beschwörend. Der Mann hatte Angst, und seine Angst war durchaus begründet. »Von wem sprechen Sie?« fragte ich. »Das sage ich Ihnen nur persönlich. Am Telefon hören zu viele Leute mit.« Hoagy legte auf.
»Soll ich mitkommen?« fragte Phil. »Nein, ich gehe allein. Aber du weißt, wo ich bin. Wenn du in zwei Stunden keine Nachricht von mir hast, kannst du dich auf die Suche nach meiner Leiche machen.«
»Befürchtest du eine Falle?«
»Dieser ’Hoagy ist ein Gauner, der für eine Flasche Schnaps sogar seine Mutter an den Roßschlächter verkaufen würde. Ihm traue ich alles zu.«
›Shanghai‹ Garwoods ehemalige Kneipe lag in der Broome Street, zwei oder drei Häuser von der Bowery entfernt. Es war eine Gegend, in der es schon am hellen Tag von allerlei Gesindel wimmelt,
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