Babel 1 - Hexenwut
Hexe waren sie recht praktisch. Silber lud sich schnell mit der Energie seines Trägers auf, Goldschloss sie dafür länger ein. Bei Ritualen konnte man auf die gespeicherte Energie zurückgreifen und musste nicht an die eigenen Reserven gehen. Das ließ einen weniger erschöpft zurück. Es gab eine Reihe Schmuckstücke, die Babel vor allem aus diesem Grund trug. Manchmal die breiten, silbernen Armreife, manchmal die goldenen Kreolen, die ihr halfen, sich zu konzentrieren. Da sie an diesem Tag nicht mit einem improvisierten Ritual auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums gerechnet hatte, war der Ring alle Unterstützung, die sie kriegen konnte.
Sie sah sich kurz um, aber niemand nahm von ihnen Notiz, denn die Leute waren zu sehr mit ihren Abendeinkäufen beschäftigt. Babel streckte die Hand aus und legte sie dem Mann auf den Arm, der sich noch immer auf die Autotür stützte. Die Hitze in ihrem Körper stieg an. Seine Aura flackerte kurz, dann beruhigten sich die Ströme, und Babel konnte ihre eigene Energie aus dem Ring auf die fremde Energie übertragen. Mit der anderen Hand fischte sie eine kleine Plastiktüte aus der Innentasche ihrer Jacke, in der sich ein weißes Pulver befand. Der Mann sah sie irritiert an.
»Nicht das, was sie denken. Das ist Holzasche.« Sie pustete etwas davon in die Luft und wartete, bis die Asche die Energiewellen einfärbte. Ihr Blick verschob sich, die Muster wurden sichtbar.
Die Hexe, die den Fluch gewirkt hatte, war nicht besonders stark, ihre Energien hatten Babel nicht viel entgegenzusetzen. Wahrscheinlich benutzte sie hauptsächlich Sprüche oder Runen für ihre Zauber.
Sie griff nach dem sich windenden Grün und zog daran. Die Energiefelder wanden sich um ihre Finger, und sie verstärkte den Druck. Wie Metall an einen Magneten heftete sich das Grün an ihre Finger, und langsam zog sie die Hand zurück.
Als sie die Haut des Mannes nicht mehr berührte, wurde das Lila in seiner Aura kräftiger und das Grün um ihre Finger schwächer. Der Erfolg ließ Babels Herz schneller schlagen. Obwohl es nur ein kleiner Zauber war, gemessen an der Kraft, die sie benötigte, so war das Eintauchen in die Magie einer anderen Hexe doch jedes Mal aufregend. Babel hatte gespürt, dass sie nicht die einzige Hexe in dieser Stadt war, aber noch hatte sie aus den Energiemustern nicht abgelesen, wie viele es waren und über welche Macht sie verfügten. Doch das würde sie sicher bald erfahren, denn auch die anderen Hexen mussten fühlen, dass Babel aufgetaucht war, und die Auseinandersetzung um Territorien würde nicht lange auf sich warten lassen. Diese Hexe hier stellte jedenfalls keine Gefahr für Babel dar. Zu wenig Bumms hinter der Magie.
Alles ist Vorstellung. Was du dir vorstellst, kann auch geschehen. Das ist das ganze Geheimnis der Magie. Du musst es nur sehen. Verstehst du das?
Ja, Mama.
Babel stellte sich vor, wie sie den Fluch von ihren Fingern schüttelte. Wie die Magie des Rings gegen das Grün drückte, und langsam löste sich der Fluch auf. Als sie die Hand vors Gesicht hob, spürte sie nur noch die Kühle des Metalls an ihrem Finger. Der Ring war kein Amulett mehr, nur noch Schmuck, denn seine Energie hatte sich aufgebraucht. Ihre Hand schmerzte ein bisschen, als hätte sie zu lange am Rechner getippt, aber sonst war sie nicht erschöpft.
»Das war's«, sagte sie.
»Mehr nicht?« Zweifelnd blickte der Mann sie an. Für ihn hatte das ganze Ritual nur ein paar Augenblicke gedauert, in denen er nichts weiter gespürt hatte als eine diffuse Wärme.
»Probieren Sie es aus.« Sie deutete auf die Wagentür.
Nach einigem Zögern streckte er die Hand nach dem Griff aus, und als sich seine Finger darum schlossen, bekam er keinen Schlag, und auch der Motor ließ sich problemlos starten.
»Unglaublich«, flüsterte er und sah sie an, als wäre sie das achte Weltwunder. Erleichterung und Schreck hielten sich in seinem Blick jedoch die Waage.
Sie konnte es ihm nachfühlen. Plötzlich hatte sich seine ganze Welt auf den Kopf gestellt, und wer gab schon gern zu, dass er plötzlich an Magie glaubte, wenn er jahrzehntelang eingetrichtert bekommen hatte, solchen Unsinn als vernünftiger Mensch nicht zu glauben?
»Kann das wirklich sein?«, flüsterte er. »Wollen Sie mir wirklich erklären, dass Sie eine Hexe sind?«
»Ich will Ihnen gar nichts erklären. Sie können glauben, was Sie wollen. Wenn Sie noch eine andere Erklärung für das hier finden, bitte sehr. Ich bin nicht hier, um zu
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