Babel 17
gerieten auf seiner Zunge durcheinander, bis er sie ungesagt verschluckte.
Sie trug kupferfarbenen Lippenstift, und die Pupillen ihrer Augen reflektierten das Licht in der Bar wie kleine Scheiben aus getriebenem Kupfer.
»Um gleich zur Sache zu kommen, General Forester«, sagte sie, »ich konnte die Aufgabe noch nicht lösen.«
Sie trug ein indigofarbenes Strickkleid, und ihr Haar fiel schwer und schimmernd über ihre linke Schulter. Er räusperte sich und erwiderte ihr Lächeln. »Das überrascht mich nicht, Miß Wong«, sagte er.
Sie lehnte sich gegen den Hocker und lachte selbstgewußt. »Aber ich bin damit weitergekommen als Ihre Leute im Hauptquartier.«
»Nach dem, was man mir von Ihnen erzählt hat, Miß Wong, überrascht mich auch das nicht.«
»Zunächst, General, ist zu sagen, daß Babel 17 kein Code ist.«
Seine Gedanken lösten sich von ihrer Person und versuchten zum Thema zurückzufinden. »Kein Code? Aber ich dachte, die Dechiffrierabteilung hätte wenigstens festgestellt, daß …« Er ließ den Satz unvollendet, weil er nicht genau wußte, was die Dechiffrierabteilung festgestellt hatte, und weil er von ihren Augen und den hohen Backenknochen loskommen mußte. Er zwang sich zur Konzentration. Die Invasion: Babel 17 mochte der Schlüssel zur Befreiung von dieser zwanzigjährigen Plage und Bedrohung sein.
»Es ist kein Code«, wiederholte sie. »Es ist eine Sprache.«
Der General runzelte die Brauen. »Nun, wie Sie es auch nennen, Code oder Sprache, wir müssen herausbringen, was sie sagt. Solange wir nichts davon verstehen, sind wir noch weit von dort entfernt, wo wir sein sollten.«
Ihr Lächeln war vergangen, und sie wandte sich von ihm weg, beide Hände auf der Theke. Sie sagte: »General, Sie haben nicht direkt mit der Arbeit einer Dechiffrierabteilung zu tun, nicht wahr?«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann lassen Sie mich erklären. Es gibt zwei Arten von Codes. Bei der ersten werden Buchstaben oder Symbole, die für Buchstaben stehen, nach einem bestimmten Schema ausgetauscht und vermischt. Bei der zweiten werden Buchstaben, Wörter oder ganze Wortgruppen mit einer anderen Bedeutung unterlegt und erscheinen im Zusammenhang irgendeines belanglosen Textes. Der Empfänger sucht sie mit Hilfe seines Codeschlüssels heraus und bringt sie in den eigentlichen Zusammenhang. Auch Kombinationen beider Arten sind möglich. Wie auch immer, sobald man den Schlüssel gefunden hat, kommen logische Sätze heraus. Eine Sprache aber hat ihre eigene innere Logik, ihre eigene Grammatik, ihre eigene Methode, Gedanken mit Wörtern auszudrücken, die ein mehr oder weniger breites Spektrum von Bedeutungen überdecken. Es gibt keinen Schlüssel, dessen Anwendung einem die genaue Bedeutung erschließt. Im günstigsten Fall kann man eine relativ gute Annäherung erzielen.«
»Sie meinen, der Code von Babel 17 besteht darin, daß als Schlüssel irgendeine andere Sprache verwendet wird?«
»Nein. Das dachte ich zuerst auch, aber eine Prüfung ergibt, daß es sich nicht so verhält. Man kann bestimmte wiederkehrende Elemente herausnehmen und sehen, ob sie mit anderen Sprachstrukturen kongruent sind. Aber das ist es nicht. Babel 17 ist selbst eine Sprache. Eine, die wir nicht verstehen.«
»Auch fremde Sprachen kann man entziffern«, sagte der General.
»Richtig, aber wenn ich mit Babel 17 weiterkommen soll, muß ich viel mehr wissen.«
General Forester blickte überrascht drein. »Was müssen Sie noch wissen? Wir haben Ihnen alle unsere Proben und Bandaufzeichnungen gegeben. Wenn wir mehr kriegen, werden wir Ihnen gern …«
»General, ich muß alles über Babel 17 erfahren. Wo, wann und unter welchen Umständen Ihre Aufzeichnungen entstanden sind, alles, was mir Hinweise geben könnte.«
»Wir haben Ihnen alle Informationen gegeben, die wir …«
»General, ich muß alles über Babel 17 wissen. Alles, was Sie wissen. Sie haben mir zehn Seiten einer maschinengeschriebenen Transkription mit dem Codenamen Babel 17 geschickt und mich fragen lassen, was es bedeutete. Das war alles. Damit allein kann ich nichts ausrichten. Mit mehr wäre es vielleicht möglich. Ihre Dechiffrierabteilung weiß sicherlich eine Menge über Codes, aber sie weiß nichts über die Natur der Sprache. Diese einseitige Spezialisierung ist einer der Gründe, daß ich in den letzten Jahren nicht mehr mit diesen Leuten zusammengearbeitet habe.«
»Miß Wong«, sagte General Forester, »was ich über Sie weiß, ist nicht viel. Bevor Sie als
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