Babel 3 - Geisterliebe
Augen.
Überrascht lachte sie auf. „Ich glaube, er will uns sagen, dass wir laut sein sollen.“
„Laut?“ Tom stellte sich neben sie und blickte ebenfalls skeptisch nach oben.
Babel nickte. „Ja. Clarissas Familie benutzt ebenfalls Symbole und Runen für ihre Magie. Das müssen sie auch im Kampf mit uns. Zu jeder Art Magie gehört Konzentration, vor allem zu dieser. Wenn etwas diese Konzentration stört, dann behindert das die Magie.“
„Und deswegen sollen wir laut sein?“
„Ich schätze, das ist seine Art, uns viel Glück zu wünschen.“
„Hexenbruuut …“
„Ja, du mich auch.“ Sie warf einen letzten Blick zum Haus zurück, vor dem Mo stand, Urd am Halsband, und ihnen mit steinerner Miene hinterhersah.
Wir kommen wieder, versprochen.
Entschlossen drehte sie sich um und lief weiter. Sie würde mit dem Motorrad fahren, Maria und Judith bei Tamy im Auto und Sam und Tom in einem zweiten Wagen folgen. Wenn sie in zwei Stunden nicht wieder da waren, sollte Mo die Polizei unter einem Vorwand zu Clarissas Haus schicken. Ob dann jedoch noch etwas zu retten war, blieb fraglich. Was sie bis dahin nicht geschafft hatten, würde sie geschafft haben.
Kurz überlegte Babel, ob sie noch im Büro vorbeifahren sollte, aber das konnte warten. Sie ahnte, dass sie dort ohnehin nur Zerstörung vorfinden würde. Sie hoffte nur, dass nicht alle von Karls Platten zerstört waren. So seltsam der Gedanke auch war, aber sie würde Dollys Stimme vermissen.
Auf dem Weg zu Clarissa begleitete Babel ein merkwürdiges Gefühl. Die Straßen sahen aus wie immer, als hätte sich nichts geändert. Dabei konnte sie immer noch den kalten Hauch an ihren Händen spüren.
Hilmar war noch bei ihr.
Dieser Geist, den sie nicht vergessen konnte. Den sie geliebt hatte, als er noch am Leben gewesen war – und der sie geliebt hatte. Nicht wie ein Liebhaber oder ein Vater, sondern wie jemand, der sehen konnte, wo man steht, weil er selbst einmal an diesem Punkt im Leben gewesen war, und der deshalb Verständnis aufbrachte. Ohne zu urteilen.
War das Liebe? Dass man sich auch noch als Toter nicht von den Lebenden trennen konnte, die einem etwas bedeutet hatten? Bisher hatte Babel immer geglaubt, dass die Toten nichts mehr so stark empfanden wie die Lebenden. Und sie hatte darin den Vorteil des Jenseits gesehen; es regte einen einfach nichts mehr auf.
Aber vielleicht war das zu kurz gedacht. Vielleicht verhinderte die Liebe, dass man jemals loslassen konnte – und vielleicht war das auch ein Trost.
Am Beginn der Straße, in der Clarissa wohnte, parkte Babel die Maschine, und es dauerte nicht lange, bis die beiden Wagen in ihrer Nähe zu stehen kamen. Sie beobachtete, wie die anderen ausstiegen und auf sie zukamen, während sie mit dem Hintern an der Maschine lehnte. Eine ungewohnte Zärtlichkeit stieg in ihr auf, als sie sie ansah.
Deine Familie. Sieh zu, dass du sie nicht verlierst.
„Kannst du einen Ablenkungszauber auf diesen Teil der Straße legen?“, fragte sie ihre Mutter, als sie neben ihr standen. „Ich habe keine Lust, dass hier Passanten vorbeimarschieren, wenn wir gerade Clarissas Haus auseinandernehmen.“
Maria nickte und zog zwei ihrer Armreifen ab, die sie unter einen Baum legte. Kurz darauf leerte sich die Straße.
In diesem Augenblick stürzten sich zwei Krähen von einem der Dächer und landeten rechts und links auf Judiths Schulter. Große Vögel mit spitzen Schnäbeln und scharfen Krallen.
Einen Moment lang starrten sie alle Judith an, die aussah wie eine Gestalt aus einem Fantasyfilm.
„Was?“ Sie hob unschuldig die Hände. „Habt ihr gedacht, ich verzichte auf meine beste Waffe?“
„Das ist deine beste Waffe?“, fragte Sam skeptisch, aber Judith lächelte ihn nur kalt an.
„Sie sind darauf trainiert, dir die Haut von den Knochen zu picken und die Augäpfel aus den Höhlen zu reißen.“
„Das ist neu“, kommentierte Babel halb beeindruckt, halb entsetzt. „Früher hast du dich mal damit begnügt, deinen Nachbarn und mich zu beobachten.“
„Ja, aber bei dir wurde es mir irgendwann zu … bunt.“ Judith lächelte erst Sam und dann Tom an, der tatsächlich nervös zur Seite schaute.
Es würde Babel nicht wundern, wenn Judith eine Ameise manipuliert hätte, durch deren Augen sie hatte sehen können, was im Keller passiert war. Bei dem Gedanken daran wurde ihr warm, und Sams Grinsen nach zu urteilen, wusste er genau, woran sie gerade dachte.
Sie räusperte sich. „Ja, nun gut.“
„Man
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