Babel 3 - Geisterliebe
berührt von den Energien, die von ihm ausgingen. Auch Judith und Maria hielten Abstand zu ihm, und selbst Tamy hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Die Reaktion war instinktiv, wie bei Tieren, die spürten, wenn ihnen Gefahr von einer anderen Spezies drohte. Auf der intuitiven Ebene spürten sie alle, dass da etwas Fremdes in ihm lauerte, etwas, das nicht mit sich reden ließ. Babel konnte Mos Angst fühlen, als er Sam in die Augen sah.
„Wenn sie sagt, du bleibst hier, dann bleibst du hier, verstanden?“, flüsterte er dem Plag ins Ohr, worauf Mo zusammenzuckte, aber nach einigen Herzschlägen zögerlich nickte.
Sam brachte wieder Abstand zwischen sich und den Plag, während Tom dem Ganzen stirnrunzelnd zusah. Aber er mischte sich nicht ein, denn er wollte seinen Schützling genauso wenig in Gefahr bringen wie Babel und dafür nahm er es sogar in Kauf, dass Sam dem Kleinen einen Schrecken einjagte.
Ein letztes Mal überlegte Babel, ob das, was sie tat, das Richtige war, aber sie sah keine andere Lösung mehr. Nicht, wenn sie in der Stadt bleiben wollte, in dem Leben, für das sie sich entschieden hatte. Mit Karl, Tom und Sam. Sie alle hatten sich hier etwas aufgebaut und ebenso ein Recht darauf, hier zu leben, wie Clarissa. Außerdem war Babel auch nie der Typ gewesen, der noch die andere Wange hinhält.
Die Luft war aufgeladen mit Magie, Babel spürte, wie die Energien zwischen ihr, Judith und Maria hin und her flossen, und sah, wie alles in einem bunten, flackernden Farbnetz eingewoben war. Sie ahnte, dass bei einer Berührung ihrer Finger Funken fliegen würden. Das letzte Mal hatte sie eine solch enge magische Verbindung zu anderen Hexen vor über zwanzig Jahren gespürt, als ihre Mutter ihnen gezeigt hatte, was sie gemeinsam vollbringen konnten. Es war Ironie des Schicksals, dass Hexen zwar nicht gut miteinander leben, aber eben hervorragend zusammen Magie wirken konnten. Vielleicht zeigte sich darin auch ein Schutzmechanismus der Natur, damit Hexen nicht in Versuchung kamen, sich zu oft zusammenzuschließen.
Babel war beinahe ein bisschen trunken vor Magie. Ihre Hände zitterten und am liebsten hätte sie Tom oder Sam geküsst, um ein bisschen Dampf abzulassen. Vielleicht sogar beide gleichzeitig.
Auch Judith sah sie an, dass sie das Machtlevel spüren konnte. Ihre Augen glänzten und sie fuhr sich mit den Fingerspitzen immer wieder über die Arme, die von ihrer langärmligen Bluse bedeckt waren. Doch Babel wusste, dass auch sie unter dem Stoff ihre ganz eigenen magischen Symbole trug, die ihre Magie verstärkten. Selbst ihre sonst so gelassene Mutter wirkte angespannt. Ihre magischen Accessoires glühten.
„Pass auf Urd auf“, sagte Tom zu Mo, bevor er nach dem ellenlangen Schraubenschlüssel griff, der auf der Treppe nach oben bereitlag und ihm schon so manches Mal gute Dienste erwiesen hatte. Babel hatte bereits einmal gesehen, welch tödliche Waffe das Werkzeug in seiner Hand werden konnte, und wenn er schnell genug war, standen seine Chancen im Kampf mit den Hexen gut genug. Seine hypnotischen Fähigkeiten mochten ihm einen weiteren Vorteil verschaffen. Dass er diesmal den Hund von Baskerville daheim lassen wollte, sprach allerdings dafür, dass er mit dem Schlimmsten rechnete.
Auch Tamy hatte sich vorbereitet, sie trug schwarze Lederhandschuhe mit Nieten und selbst für ihre Verhältnisse eine finstere Miene. Wohl fühlte sich Babel nicht, dass sie Tamy in den Kampf mit Hexen schickte, auch wenn Tamy als Türsteherin Auseinandersetzungen nicht fremd waren. Doch sie hatte das Gefühl, dass Judith und Tamy ein gutes Team bildeten. Sie würden sich gegenseitig den Rücken decken.
Alles in allem verfügten sie über eine beeindruckende Schlagkraft, jetzt mussten sie nur noch herausfinden, ob das ausreichte.
„Gehen wir“, murmelte Babel und öffnete die Tür.
Schon als sie die Türklinke berührte, färbte sich das Türblatt schwarz.
Als sie an dem Baum vorbeiliefen, auf dem Xotls Käfig steckte, krächzte der Papagei eine Reihe obszöner Flüche nach unten. Nur bei Sam machte er eine Ausnahme.
„Hackfleiiisch … Hackfleiiisch …“
Tamy schüttelte den Kopf. „Meint er, dass wir uns zu Hackfleisch verarbeiten lassen sollen, oder dass wir aus den anderen Hackfleisch machen sollen?“
„Vermutlich wäre ihm beides recht.“
„Lauuut … lauuuttt …“
„Was meint er damit?“
Nachdenklich schaute Babel nach oben und der Vogel schaute zurück. Er sah ihr direkt in die
Weitere Kostenlose Bücher