Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Geräusch träumen, das Hilmar als Letztes von sich gegeben hat.
Sie hätte ihn retten können, aber sie hatte sich nicht gegen Sam stellen können.
Wie betäubt sah sie zu ihnen hinüber und wischte sich mit der Hand den Mund ab. Mit dem Rücken an der Hauswand gelehnt, saß sie da. Von Sam kam ein Röcheln, auf seinen Lippen bildeten sich blutige Blasen, aber Babel konnte sich nicht aufraffen, zu ihm zu gehen. Ihn zu berühren, ja, mit ihm zu sprechen.
Und auf einmal war es wieder da, das Summen auf der anderen Ebene, das wie ein Lachen klang. Die gehässigen Energiewolken, die sie umschwebten und darauf lauerten, dass sie einen entscheidenden Fehler machte, damit die Dämonen von ihr Besitz ergreifen konnten. Sie waren wie Zeugen.
Während in der Ferne ein Zug zu hören war, zog Babel die Knie an und umschlang sie mit den Armen. Auf einmal breitete sich in ihrem Innern eine nie gekannte Kälte aus. Überzog die Wut mit Eis, den Schmerz, die Angst, die Sehnsucht. All ihre Erinnerungen an das letzte Jahr. Und zum Schluss ihr Herz.
Babel erkannte die Kälte als das, was sie war.
Schuld.
Und das wirst du nie wieder los.
Nachbemerkung
Die Zeilen »Von den Elben wird verzaubert mancher Mann, So ist mir’s durch Liebesmacht geschehn […]« stammen von dem Minnesänger Heinrich von Morungen – und das erwähnte Buch Aradia – Die Lehren der Hexen erschien 1899 in London. Sein Autor, Charles Godfrey Leland (1824–1903), war u. a. Journalist und Mythenforscher, dessen Studien über die Roma ihn in Kontakt mit der italienischen Wahrsagerin und Hexe Maddalena brachten, die ihn an ihrem Wissen um den im Verborgenen gepflegten Kult um die Göttin Diana teilhaben ließ.
An dieser Stelle geht außerdem ein herzliches Dankeschön an meine Erstleser. Meine Damen, es war mir wie immer ein Vergnügen, besonders bei folgenden Anmerkungen.
Franziska: »Da habe ich mal einen Bericht über Inder gesehen, die an einer Ziege […]«; Annette S.: »Das Aphrodisiakum war aber nicht für den Hund, oder?«; Annette W.: »Schönes Beispiel für die tödlichen Folgen eines Kommamissbrauchs.«; Sandra: »Ich mag Frösche!« * ; Mirjam: »In die Taschen eng anliegender Lederhosen kommt man nie und nimmer mit der ganzen Hand rein – Erfahrungswert.«, und meine Mutter: »Ach, die Männer sind doch beide ganz nett.«
Zu guter Letzt auch noch ein Dankeschön an Catherine und Boris, die beide eine Engelsgeduld aufgebracht haben – die eine während des Lektorats dieses Buches und der andere mit mir.
* Dieser empörte Ausruf erfolgte an der Stelle, an der Babel erklärt, es gäbe niemanden, der Frösche mag. Es sei hiermit also vermerkt, dass es doch jemanden gibt.
DÄMONENFIEBER
DAMALS
Babels 7. Geburtstag
Nur fünf Minuten war Maria in der Küche gewesen, doch schon diese kurze Zeit hatte genügt, um im Esszimmer ein weiteres Drama zu entfesseln.
Zitternd stand Judith in der Ecke, das schmale Kindergesicht tränenverschmiert. Der Rotz lief ihr aus der Nase, und ihren Stoffhund drückte sie sich so fest unter das bebende Kinn, dass sich sein rechtes Ohr von ihren Tränen bereits dunkel gefärbt hatte.
Marias fünfjährige Tochter war ein Bild des Jammers, und die unregelmäßigen Hickser deuteten darauf hin, dass sich dieser Jammer noch eine ganze Weile in die Länge ziehen würde.
Babel dagegen saß zwei Meter entfernt an dem großen Eichentisch, stumm wie ein Fisch, und stocherte lustlos auf dem Teller herum, auf dem ein Stück ihres Geburtstagskuchens lag. Ihre Füße baumelten eine Handbreit über dem Boden, und nur die ständig wechselnde Farbe ihrer Strümpfe zeigte ihren inneren Aufruhr an, denn ihre Magie wirkte, ohne dass sie es zu bemerken schien.
Das Geräusch der über das Porzellan kratzenden Gabel fügte sich unangenehm in Judiths Schluchzen ein.
Seufzend stellte Maria die Kanne mit dem Kakao auf dem Tisch neben dem Kuchen mit den sieben Regenbogenkerzen ab. Von dem Schriftzug aus rosafarbenem Zuckerguss war nur noch BABE vorhanden. Das L hatten die Mädchen schon verschlungen.
Natürlich stritten sie sich wieder einmal erst, wenn ihr Vater längst das Haus verlassen hatte, und es blieb Maria überlassen, die beiden zur Räson zu bringen. Dabei wäre es gut gewesen, wenn er den Grund für diesen Streit miterlebt hätte. Oft genug versuchte Maria ihm zu erklären, dass die Beziehung zwischen Hexengeschwistern von vornherein spannungsgeladener war als bei normalen Kindern. Ihre Instinkte sagten ihnen, dass sie
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