Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Babel hatte ihre Lektion gelernt: Um Leute, die solche Sätze sagen, sollte man grundsätzlich und immer einen riesigen Bogen machen! Am Morgen hatte sie außerdem erneut das Gefühl beschlichen, beobachtet zu werden, und langsam bekam sie den Verdacht, dass mehr dahintersteckte als nervöse Unruhe.
Wenn dein Bauchgefühl dir sagt, es riecht nach Ärger, dann meistens, weil Ärger stinkt und immer dann an deinen Fersen klebt, wenn du ihn am wenigstens gebrauchen kannst.
»Wie soll ich bitte schön dem Finanzamt erklären, dass Granatapfelmus eine notwendige Betriebsausgabe ist?« Wedelnd hielt Karl eine Quittung in die Höhe und unterbrach damit ihre düsteren Gedanken.
»Erklär ihnen, es sei Bestandteil einer jahrtausendealten chinesischen Heilkunst, die du manchmal bei unseren Klienten anwendest. Irgendwas, wofür man keine medizinische Ausbildung braucht, das aber so verrückt klingt, dass sie nicht mit dir darüber diskutieren wollen, weil du ihnen sonst die Gewerkschaft der Kristallverkäufer auf den Hals hetzt.«
Er runzelte die Stirn und machte: »Mphf.«
Schulterzuckend trank Babel einen Schluck Kaffee. In Wirklichkeit hatte sie die Granatäpfel für ein Aphrodisiakum benötigt. Hin und wieder ließ sich das Problem eines Klienten mit einem Trank besser lösen als mit einem direkten Zauber. Das Problem war nur, dass Babel nicht besonders gut im Zubereiten von Tränken und Salben war – vor allem, weil sie nie die nötige Geduld aufbrachte. Einmal hatte sie den Hund eines Klienten aus Versehen ins Koma versetzt, weil der Sud nicht lange genug gezogen und der blöde Köter ihn aus Versehen getrunken hatte. Das war eine unschöne Geschichte gewesen, in deren Verlauf ihr nichts anderes übrig geblieben war, als die Erinnerungen des Klienten zu verändern. Eine Woche hatte Karl kein Wort mit ihr gesprochen, so sauer war er gewesen. Die Granatapfelgeschichte dagegen war eine einfache Sache gewesen. Nur als der Klient voller Begeisterung angeboten hatte, ihnen das Ergebnis vorzuführen, hatten sie dankend abgelehnt.
»Hast du etwas Neues für mich?«, fragte sie nach einer Weile, und ohne hinzusehen, wühlte Karl in einem Papierstapel nach einem Fax.
»Die harte Tour ist mal wieder gefragt.«
»Wen soll ich erschrecken?«
»Erinnerst du dich an die Bankdirektorin, deren Mann mit dem gemeinsamen Boot verschwunden war?«
»Der dann ganz überraschend auf den Caimaninseln aufgetaucht ist, zusammen mit seiner Geliebten?«
Karl nickte. »Die Dame war so begeistert von deiner Arbeit, dass sie dich an einen Freund weiterempfohlen hat. Der Typ ist irgendeine große Nummer im Musikgeschäft. Lavander oder Lamiur oder … Larilu?«
»Äh … Bist du sicher, was den Namen betrifft?«
Entschuldigend sah er sie an. »Pop interessiert mich nicht.«
Karls ganze Liebe galt der Countrymusic und natürlich Dolly Parton, deren Foto er sogar in einem kleinen, goldenen Herzen um den Hals trug. Manchmal glaubte Babel, dass er Dolly für eine Art Göttin hielt und heimlich zu ihr betete.
»Und diesem Typ steigt also ein Mädchen nach …«
»Ich soll ein Groupie bearbeiten?« Entgeistert sah sie ihn an.
»Ja, aber ein Groupie aus der Hölle, wenn du mich fragst. Das Mädel schickt seiner Freundin Pakete mit sehr hässlichem Inhalt. Abgehackte Rattenköpfe und so. Die Polizei kann nichts machen, weil man dem Mädchen noch nichts Handfestes nachweisen konnte. Aber wer hat schon gern einen Stalker?«
Skeptisch runzelte sie die Stirn. Das klang zwar nach wenig Arbeit, aber auch nach Arbeit, die keinen Spaß machte.
»Überleg es dir, der Bursche zahlt gut, fünf sofort und fünf danach.«
Das war eine Menge, auch noch nach Abzug der Steuern und fälligen Raten für den Kredit des Hauses. »Entfernung?«
»Zwei Stunden Autofahrt.« Sein Blick wurde eindringlich. »Wir können die Geschichte schnell erledigen.«
»Warum hast du es so eilig?«
»Bargeld lacht?«
»Sag bloß, du bist pleite?« Sie musste grinsen.
»Nicht pleite, nur knapp mit Bargeld. Passiert eben manchmal. Ich hatte Ausgaben.«
»Dolly-Parton-Plakate zweifellos.«
»Jedenfalls kommt mir der Auftrag gerade recht. Wäre also überaus nett von dir, wenn du es einrichten könntest.«
»In Ordnung.«
»Ich dank dir, Mädel.«
Wie Karl an ihre Aufträge kam, wollte sie gar nicht so genau wissen. Er trieb sich in Kneipen herum, in Videotheken und auf städtischen Veranstaltungen. Er schien einfach jeden zu kennen und hatte ein Händchen dafür, Menschen
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