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Babel und Bibel

Babel und Bibel

Titel: Babel und Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich sieht, in eine gewaltige, innere Bewegung versetzt. Er hat dies dem Zuschauer ahnen zu lassen, ohne
    aber dieser Aufregung äußere Zeichen zu verleihen, die gegen seinen Charakter und seine Rolle verstoßen würden. Diese letztere ist so schwer, daß sie nur von einem Meister gegeben werden kann, dem es gelingt, durch die kleinste Bewegung Großes zu sagen und trotz der sprechendsten Geste verschwiegen zu bleiben. Er geht langsam einige Schritte vorwärts, wie ein Träumender, und doch Alles, was er sieht, wie mit den Augen verschlingend. Dann bleibt er stehen und grüßt die Anwesenden, natürlich orientalisch)

     
    Scheik der Todeskarawane:
    Salām!
    Schēfakā
(zaghaft):
    Salām!
    Babel
(züruckhaltend):
    Salām!
    Scheik der Todeskarawane
(zum Scheik, der ihm nicht danke):
    Ich grüßte dich!
    Scheik
(weicht vor ihm bis an den Thron zurück, auf den er sich setzt):
    Es stinkt so plötzlich hier!
    Scheik der Todeskarawane
(horcht beim Klange dieser Stimme auf, zu Babel und Schēfakā):
    Wo ist der Scheik?
    Schēfakā
(hinter ihrem Vater hervor, weil dieser mit
der Antwort zögert):
    Auf seinem Throne da.

    Scheik der Todeskarawane
(ohne nach dem Scheik zu schauen):
    Wer bist denn du?
     
    (er geht zu ihr hin, zieht sie hinter ihrem Vater hervor und betrachtet sie lächelnd, aber mit ungewöhnlichem Interesse. Dabei dreht er sie um sich selbst, bis sie ihm das Gesicht wieder zuwendet. Sie antwortet sehr schüchtern, bei jeder dieser Drehungen einen Satz)
     
    Schēfakā:
    Ich heiße Schēfakā – – – die »Menschenseele« – – –
    Bin Babels Tochter – – – bin das »Schreckenskind«.
    Scheik der Todeskarawane
(humoristisch):
    Das glaube ich!
     
    (ernst fortfahrend):
     
    Die »Seele« war von je
    Das Schreckenskind des menschlichen Gehirnes.
    Der Schrecken svater aber ist der Geist, Der sogenannte Geist – – – Scheik
(aufbegehrend):
    Wen meinst du da?
     
    (der Scheik der Todeskarawane horcht, ohne ihn anzusehen, beim Klange dieser Stimme wieder auf. Er lauscht wie in weite Ferne und läßt seinen Blick ganz eigenartig umherschweifen)

     
    Schēfakā
(Mut gewinnend):
    Was suchest du?
    Scheik der Todeskarawane
(mit umherirrender, aber keineswegs unsicherer Aufmerksamkeit):
    Ich suche Alles, Alles!
    Schēfakā:
    So sage, was?
    Scheik der Todeskarawane
(betrachtet sie von oben bis unten):
    Ich sah dich schon einmal – – –Doch aber du – – – du bist es nicht gewesen.
    Scheik
(befehlend):
    Von welchem Stamme bist du?
    Scheik der Todeskarawane
(ohne sich nach ihm umzudrehen):
    Das weiß ich nicht.
    Scheik
(spuckt verächtlich aus):
    Wie heißest du?
    Scheik der Todeskarawane:
    Ich habe keinen Namen.
    Scheik
(wieder ausspuckend):
    Der Name deines Vaters?
    Scheik der Todeskarawane:

    Unbekannt.
    Scheik
(spuckt zum dritten Male aus):
    O Schmach, o Schmach! O Schande über Schande!
    Scheik der Todeskarawane
(zu Schēfakā, indem er mit dem Kopfe hinter sich nach dem Scheike winkt):
    Auch diesen sah ich schon – – – mit seiner Peitsche!
    Was spieltest du mit ihm, grad als ich kam?
    Schēfakā
(mit einem Anfluge von Stolz):
    Wir spielten Geist und Seele – – – die bin ich.
    Babel
(geht nach seinem Platze, deutet auf den Scheik):
    Und er, er ist der Geist!
    Scheik der Todeskarawane
(wendet sich endlich dem Scheik zu):
    Der Geist! Der Geist!
     
    (indem er dies sagt, geht er einen Bogen um den Scheik und nimmt ihn scharf in die Augen. Dann lehnt er sich an einen Mauerrest und spricht weiter):
     
    Zu Mǟrdistān, im Walde von Kulūb,
    Liegt einsam, tief versteckt, die Geister schmiede.
    Babel:
    Da schmieden Geister?
    Scheik der Todeskarawane:

    Nein, man schmiedet sie!
    Der Sturm bringt sie geschleppt, um Mitternacht,
    Wenn Wetter leuchten, Tränenfluten stürzen.
    Der Haß wirft sich in grimmer Lust auf sie.
    Der Neid schlägt tief ins Fleisch die Krallen ein.
    Die Reue schwitzt und jammert am Gebläse.
    Am Blocke steht der Schmerz, mit starrem Aug
    Im rußigen Gesicht, die Hand am Hammer.
     
    (zum Scheik)
     
    Da, jetzt, o Scheik, ergreifen dich die Zangen.
    Man stößt dich in den Brand. Die Bälge knarren.
    Die Lohe zuckt empor, zum Dach hinaus,
    Und Alles, was du hast und was du bist,
    Der Leib, der Geist, die Seele, alle Knochen,
    Die Sehnen, Fibern, Fasern, Fleisch und Blut,
    Gedanken und Gefühle, Alles, Alles
    Wird dir verbrannt, gepeinigt und gemartert
    Bis in die weiße Glut – – –
    Scheik
(aufschreiend):
    Allāh – – – Allāh!
    Scheik der

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